Wundern Sie sich mitunter auch, was alles unter dem Begriff „4.0“ vermarktet werden soll? Ist es in diesem Umfeld noch zweckmäßig, das Synonym „4.0“ zu verwenden oder wirkt es eher banal als förderlich? Wenn man es schafft, glaubhaft darzulegen, dass sich hinter 4.0 tatsächliche digitale und vernetzte Innovationen verbergen oder wenn man aufzeigen kann, wie man in Nischen neue und lukrative Geschäftsfelder erschließen kann, bevor es andere tun, dann hat man gute Chancen Gehör zu finden. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den zukünftigen Möglichkeiten, sicherheitstechnische Engineering- und Compliance Prozesse durch vernetzte digitale Systeme zu unterstützen.
Dahinter verbirgt sich nichts anderes als ein digitales Abbild eines Produkts, mitunter auch als „digitaler Zwilling“ bezeichnet. Das sind in der Praxis Pläne, Berechnungen, Risikobeurteilungen, Dokumente, Softwarebausteine, Fotos usw. Wenn zu einem Modell ein tatsächliches Produkt existiert, nennt man das „Instanz“.
Die digitale Dokumentation von Maschinen oder Anlagen hat aber noch nichts mit Industrie 4.0 zu tun. Auch bisher wurden Pläne und andere Dokumente aus früheren Projekten kopiert und danach die Änderungen für das neue Projekt eingearbeitet. Im Zusammenhang mit Industrie 4.0 ergeben sich zwei Grundsatzfragen: 1. Welche Prozessschritte sind digitalisierbar, die auf den Kopiervorgang vorhandener Projektdaten folgen? 2. Sind Modelle in der vernetzten Welt (Cloud) verfügbar?
Digitalisierbar sind verschiedene Analysen, die Antworten auf wichtige Fragen liefern wie zum Beispiel:
Dies sind aber alles nur deskriptive Analysen. Sie liefern „nur“ Informationen, was passiert ist. Es obliegt dann den zuständigen Personen, die Relevanz der Informationen manuell zu untersuchen und daraus die erforderlichen Maßnahmen abzuleiten. Das kann immens viel Zeit in Anspruch nehmen und daher sehr viel Geld kosten! Wesentlich höherwertig sind prädiktive Analysen. Sie liefern Informationen, was in der Zukunft passieren wird. Die höchste, mit nur drei Prozent zugleich aber am wenigsten genutzte Analyseform sind präskriptive Analysen. Sie beschränken sich nicht nur auf Vorhersagen, sie liefern gleich Handlungsanleitungen mit, was von wem erledigt werden muss.
In der digitalen Welt geht aber noch mehr! IT-Experten sind bestrebt, Systeme zu entwickeln, die veraltete Lösungen eigenständig identifizieren, weltweit und automatisiert nach den passenden Nachfolgelösungen suchen und interaktiv die notwendigen Änderungsprozesse einleiten oder sogar vollautomatisch durchführen! Dies beschränkt sich keineswegs auf softwaretechnische Insellösungen. Die Mechanismen greifen in alle in Verwendung befindlichen Softwaresysteme ein (ERP, PLM, CAD, Office, Expertensysteme,…). Im Endausbau können Computer und Maschinen vollautomatisch aus Modellen Instanzen produzieren!
Wir von IBF entwickeln in diesem Zusammenhang Lösungen und Konzepte zur Klärung der Detailfrage, ob die angewandten Modelle, aus denen Instanzen gebaut oder produziert werden, zum geplanten Zeitpunkt des Inverkehrbringens der einzelnen Instanzen in den jeweiligen Zielgebieten noch den gesetzlichen und normativen Anforderungen entsprechen. Tun sie das nämlich nicht, drohen Nachbesserungen, Vertriebsverbote, Rückrufe, Schadenersatzforderungen usw. Digitale Lösungen können den Aufwand für nötige Prüfungen und Anpassungen in Modellen von einigen Wochen oder Monaten auf wenige Sekunden reduzieren! Das Einsparungspotenzial ist enorm. Was jedoch noch viel wichtiger ist: Die „time to market“ für ein neues Produkt wird gegenüber konventionell arbeitenden Wettbewerbern drastisch reduziert.
Während die einen noch den Preis kalkulieren, befinden sich andere bereits in der Umsetzung
Aber woher kommen nun die Modelle? Bislang greift man bei der Suche nach geeigneten digitalen Modellen häufig auf Daten aus dem eigenen Unternehmen zurück, z.B. auf Pläne oder Berechnungen aus früheren Projekten. Auch das hat mit Industrie 4.0 nichts zu tun! Erst durch die (kommerzielle) Bereitstellung von Modellen in der Cloud entstehen neue Geschäftsmodelle, mit denen sich neue Wertschöpfungspotenziale erschließen lassen! Mit dem Referenz-Architektur-Modell Industrie 4.0 (RAMI 4.0) und der damit im Zusammenhang stehenden „Verwaltungsschale“ wurden bereits tiefgreifende Überlegungen angestellt, wie „Assets“ im digitalen Markt verwaltet, eindeutig identifiziert und angeboten werden können. Details dazu finden Sie auf den Seiten der u. a. Links.
Entsprechend der Kernkompetenzen von IBF war es das Ziel, im ersten Schritt Modelle zu entwickeln, die eine wertvolle Basis für die Durchführung von Risikobeurteilungen und Konformitätsbewertungsverfahren nach Maschinenrichtlinie bilden. In Zusammenarbeit mit Experten der TÜV Rheinland Industrie Service GmbH haben wir dazu einen Leitfaden entwickelt, der beschreibt, wie sich aus harmonisierten europäischen C-Normen digitale Modelle für bestimmte Maschinentypen entwickeln lassen. Auf Basis dieses Leitfadens wurden vom TÜV Prototypen für Vorlagenprojekte für Kettenförderer, Rollenbahnen, Horizontal- und Vertikal- Umsetzeinrichtungen nach der harmonisierten Norm EN 619 entwickelt. Diese bilden die optimale Kopiervorlage für Hersteller dieser Maschinentypen.
Besonders wichtig ist bei der Entwicklung der Vorlagen, dass bei den dokumentierten Lösungsvorschlägen stets angeführt wird, welche Normenabschnitte bei der Entwicklung der sicherheitstechnischen Lösung angewandt wurden. Auf Basis dieser Daten können sich die Modelle und die Projekte, die auf den Modellen beruhen, während ihres gesamten Lebenszyklus automatisch auf deren Aktualität mit den einschlägigen Normen überwachen!
In Verbindung mit kontinuierlich aktualisierten Referenzdaten erfolgt bei der Änderung von Normen zunächst eine deskriptive Analyse. Sie informiert die Hersteller der Modelle, dass die Modelle nicht mehr den Normen entsprechen, was dazu führen sollte, dass die Hersteller die Modelle aktualisieren. Dies bildet die Voraussetzung dafür, dass in den Projekten die höherwertige präskriptive Analyse erfolgen kann. Sie informiert die zuständigen Personen über eine neue verfügbare Lösung, die als Ersatz für die im Projekt befindliche veralte Lösung bereits zur Verfügung steht. In diesem Fall reduziert sich der Aufwand für die zuständigen Konstrukteure auf den Austausch der Lösung. Das langwierige Studium von Einzelnormen kann weitestgehend entfallen!
Damit derartige Analysen in der Praxis realisiert werden können, haben wir unsere Internet Normendatenbank unter der Bezeichnung „Standards Content Management“ dahingehend erweitert, dass Normen jetzt in deren einzelnen Abschnitten verwaltet werden können. Bei Normenänderungen erfolgt durch unsere Experten in akribischer Kleinarbeit ein manueller Vergleich der Vorgängernorm und des Nachfolgedokuments. Dabei wird untersucht, welche Abschnitte sich inhaltlich geändert haben oder verschoben wurden. Diese Daten bilden die Basis für eine übersichtliche Darstellung, was sich in einer Norm genau geändert hat. Was aber noch viel wichtiger ist: Die Bereitstellung von Normeninformationen in dieser neuen Struktur bietet völlig neue digitale Analysemöglichkeiten (siehe unten)!
Normenwissen allein reicht oft nicht aus! Daher bietet das neue Konzept zusätzlich zur abschnittsweisen Verwaltung der Normeninhalte die Möglichkeit, zu den einzelnen Normenabschnitten top aktuelles Zusatzwissen in der sogenannten Safexpert Knowledge Base zu speichern, wie zum Beispiel:
Dadurch wird endlich eine zentrale Datenbank geschaffen, die in der Lage ist, gegenüber dem Stand der Normung den darüber hinausgehenden Stand von Wissenschaft und Technik zu verwalten und weltweit per WEB-Service tagesaktuell und in digital auswertbarer Form zur Verfügung zu stellen. Jeder Normenanwender der Welt ist eingeladen, über die Software „Safexpert“ oder direkt über www.ibf-solutions.com/normen-feedback neues Wissen zu bestimmten Normen bzw. Abschnitten unbürokratisch zu melden. Die Veröffentlichungen von Normenfeedback erfolgen in der Safexpert Knowledge Base aber nur durch autorisierte Experten nach festgelegten Qualitätskriterien. Dadurch wird von Anfang an sichergestellt, dass die in der Safexpert Knowledge Base bereitgestellten Informationen eine hohe Vertrauenswürdigkeit genießen.
Wie bei Wikipedia entfaltet die neue Datenbank erst durch die Mitarbeit ausgewählter Experten ihre volle Wirkung. Daher haben wir die Standards Experts Community (SECOM) gegründet. Anders als bei Wikipedia arbeiten die Experten aber nicht ehrenamtlich. Sie entscheiden selbst, zu welchen Konditionen Sie Ihr Expertenwissen anbieten!
Die von IBF und SECOM-Experten bereitgestellten Daten werden per WEB-Service angeboten. Das bedeutet für die Praxis: Die Daten können von den verschiedensten Softwaresystemen für Analysezwecke genutzt werden. Neben ERP- und PLM-Systemen kommen hier insbesondere mechanische und elektrische CAD-Systeme, Simulationssysteme usw. in Frage. Selbstverständlich nützt Safexpert diese Daten bereits jetzt für die Analyse, welche sicherheitstechnischen Lösungen in welchen Projekten nicht mehr entsprechen. Darüber hinaus steht auch der Safexpert NormAnalyzer bereits zur Verfügung. Mit diesem Add-In für Word, PowerPoint und Excel können in Verbindung mit dem Safexpert NormManager in die Office-Dateien Quellangaben eingefügt werden. Per Mausklick können täglich alle im Unternehmen gespeicherten Dokumente, Folien und Excel-Sheets auf deren Aktualität mit den angeführten Normen überprüft werden.
Auf Wunsch fertigen unsere SECOM- Experten in speziellen Kundenprojekten individuelle Vorlagen. Ebenso bieten wir, ggf. in Zusammenarbeit mit anderen Softwareherstellern, unternehmens-, abteilungs- oder personenspezifische Analysen.
Verfasst am: 28.03.2017
Ing. Helmut Frick Seit 1994 CE-Beratung im Maschinen- und Anlagenbau mit Schwerpunkt CE-Organisation und Normenmanagement. Geschäftsführer der IBF Holding GmbH sowie Leiter der Business-Unit "Digitale Normung".
E-Mail: helmut.frick@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com
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