Vor allem beim Handel mit Non-Food-Konsumgütern (bestehen eklatante Lücken im Produkt Compliance Management, so die Erkenntnis der langjährigen Beratungspraxis des Gastautors Dr. Hartmut Voss und der trinasco GmbH. Gerade bei Geräten für Endverbraucher stellen Unternehmen ihre Produkte (z.B. Nähmaschinen, Küchenmaschinen oder ähnliche Produkten im Anwendungsbereich der EU-Niederspannungsrichtlinie) nur noch selten komplett selbst her. Einzelne Komponenten, Bauteile oder sogar das fertige Produkt werden zugekauft oder nach eigenen Produktkonzepten in Asien gefertigt (OEM, ODM). In diesen Prozessen entstehen vielfältige Probleme.
Produkt Compliance Management besteht aus zwei Säulen: einer internen und einer externen.
Während zur Optimierung der ersten Säule in vielen Unternehmen bereits umfassende Strategien bestehen, wird die zweite Säule häufig vernachlässigt. Doch nur gemeinsam bilden diese das Fundament für erfolgreiches Produkt Compliance Management. Daher konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen insbesondere auf die Verbesserung der Lieferanten-Performance.
Die externe Säule ist deutlich schwieriger aufzubauen als die interne. Denn hier geht es nicht um die Mitarbeiter und die internen Prozesse, sondern um die Lieferanten und somit die externen Prozesse. Und hier haben Sie keinen unmittelbaren Einfluss oder gar eine Weisungsbefugnis, sondern können nur im partnerschaftlichen Miteinander zum Erfolg kommen.
Viele Informationen, die Sie zur rechtskonformen Gestaltung der Produkte und der notwendigen Dokumentation benötigen, können in der Regel nur Ihre Lieferanten zur Verfügung stellen. Dies sind vor allem Produkt-, Material-, Produktions- oder Logistik-Informationen. Die Mitarbeit der Lieferanten sorgt zudem dafür, dass innerhalb der Lieferkette auch die Informationen der Vorlieferanten einbezogen werden können und Dokumente sofort erhältlich sind.
Doch leider sieht die Realität oft anders aus. Gründe dafür sind, dass Lieferanten dem Thema Produkt Compliance oft weniger Bedeutung zumessen oder Kosten sparen wollen, indem sie nicht alle notwendigen Prüfungen durchführen, die Unterlagen nicht aktuell halten oder Dokumente gar nicht oder nur in der Landessprache des Produktionslandes (z.B. Chinesisch), beifügen. Hinzu kommen oft Unwissenheit über europäische Anforderungen, fehlende Unterstützung durch das Top-Management und unklare Verantwortungen.
Die Einhaltung der Anforderungen kann und sollte zum einen in Lieferanten- und Kaufverträgen festgehalten werden. Doch diese juristische Maßnahme löst das Problem nicht, da Lieferanten aufgrund fehlenden Know-hows oft gar nicht wissen, welche notwendigen Dokumente ihr Kunde in Europa braucht und dass eine vollständige Dokumentation grundsätzlich für jede Lieferung zu erstellen ist. Sinnvoll ist es daher, zunächst die Lieferanten in Bezug auf die Höhe des Umsatzes sowie die Komplexität und den Gefahrenfaktor der Produkte zu priorisieren. Erhält man Produkte von einer dreistelligen Anzahl an Zulieferern, dann ist es fast utopisch, all diese Lieferanten für das Thema zu sensibilisieren. Diese priorisierten Lieferanten bilden das Fundament der externen Säule.
Diese Kernlieferanten müssen in einem nächsten Schritt für die Wichtigkeit der Produkt Compliance Anforderungen aus der Sicht des Kunden sensibilisiert werden, und zwar beginnend mit dem Top-Management. Schließlich müssen für diese oft zusätzlichen Aufgaben und Ressourcen freigegeben werden und dies passiert nur mit einer starken und langfristigen Management-Attention des Lieferanten. Sinnvoll ist nach unserer Erfahrung die Ernennung eines Produkt Compliance Officers, welcher die Schnittstelle zwischen Lieferanten und Kunden bildet und der die Compliance-Anforderungen des Kunden über Produkt- und Fabrikgrenzen bündelt und vertritt.
Wenn die Unterstützung durch die Führungsebene des Lieferanten sichergestellt und die richtigen Personen für diese Aufgabe beim Lieferanten definiert sind, müssen die Produkt Compliance Officer so geschult bzw. weitergebildet werden, dass sie den Kunden von der Konzeption der Produkte bis zur Serienfertigung sinnvoll unterstützen können. Zu den Schulungsthemen gehören die gesetzlichen Anforderungen und Normen für die entsprechenden Produkte, die Durchführung der relevanten Prüfungen und Test, die Erstellung von Risikobeurteilungen, die Nutzung des Compliance Management Systems und letztendlich die notwendige Dokumentation für alle Produkte und Lieferungen. Gemeinsam müssen Prozesse gestaltet werden, welche die Rechtskonformität der Produkte unterstützen und gleichzeitig für den Lieferanten und Kunden effizient und kostengünstig sind. Denn am Ende wollen Kunde und Lieferant ja nicht nur sichere und rechtskonforme Produkte auf den Markt bringen, sondern zudem auch wettbewerbsfähig und erfolgreich sein.
Diese Schulungen und der allgemeine Know how-Transfer haben das Ziel, eine langfristige Zusammenarbeit mit den Kern-Lieferanten zu etablieren und für beide Seiten eine Win-Win-Situation zu kreieren. Über diesen Weg können auch bei Änderungen an Produkten oder der Entwicklung neuer Produkte die notwendigen Informationen und Maßnahmen direkt berücksichtigt und sinnvoll nachgehalten werden. Nur so können Produkte dauerhaft rechtskonform produziert und vertrieben werden.
Die internen Prozesse zur Produkt Compliance bilden die essentielle Grundlage, um konforme Produkte liefern zu können. Neben der Schaffung der internen Strukturen und Prozesse kommt aber auch den externen Prozessen eine entscheidende – in der Praxis aber häufig vernachlässigte – Rolle zu. Insbesondere Unternehmen mit vielen Zulieferern sollten daher das Thema Lieferantenmanagement im Hinblick auf Produkt Compliance nicht dem Zufall überlassen und z.B. durch entsprechende Lieferantenqualifikationen den Herausforderungen proaktiv begegnen.
Verfasst am: 27.11.2020
Dr. Hartmut Voss Gründer und Geschäftsführer der trinasco GmbH und Experte für Produkt Compliance Management. Vor seiner Tätigkeit als Berater war Dr. Voss bei führenden internationalen Unternehmen tätig (Pepsi-Cola, Sony, Nokia) und hat dabei sehr erfolgreich diverse Marketing-, Vertriebs- und General Management-Funktionen bekleidet. Unter anderem leitete er eine europäische Business Unit, die eine Vielzahl von Produkten gemeinsam mit asiatischen Lieferanten entwickelte, produzierte und in Europa vermarktete. Durch seine langjährige, europaweite Erfahrung als Produktmanager und Geschäftsführer kann er die Risiken und Herausforderungen im Bereich Produkt Compliance sehr genau einschätzen und die Kunden der trinasco GmbH optimal unterstützen.
Unsere Arbeit zielt darauf ab, Unternehmen beim Aufbau der internen und externen Säule zu unterstützen. Sinnvoll ist es, wenn die Zusammenarbeit langfristig ausgestaltet wird, da die Veränderung von internen und externen Prozessen und Strukturen Zeit benötigt und in der Regel mehrere Teilprojekte beinhaltet. Gerne agieren wir auch als externe Projektleitung bei Ihrem Produkt Compliance Management-Projekt und etablieren alle notwendigen neuen Prozesse im Unternehmen. Wir schulen Ihre Lieferanten, gerne auch vor-Ort und gerne auch in der jeweiligen Muttersprache.
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