In diesem Beitrag behandeln wir, welche Anlässe und Situationen einen Rückruf von Produkten (z.B. von Maschinen oder elektrischen Geräten) erforderlich machen können, und wie sich Unternehmen auf solch einen Fall vorbereiten können. Die Herausforderungen für die Unternehmen steigen: Komplexe und immer schneller sich entwickelnde Technologien, mehrschichtige Lieferketten, steigende Kunden-Erwartungen, hoher Konkurrenz- und Regulierungsdruck. Das kann dazu führen, dass selbst Unternehmen, die bisher keine Erfahrungen mit Rückrufen hatten, mit solchen konfrontiert werden können. Dabei gilt heute: Einen Rückruf einleiten zu müssen, ist kein «Versagens-Urteil» für ein Unternehmen. Im Markt wird ein gelegentlicher Rückruf allgemein akzeptiert, in manchen Branchen fast erwartet. Wenn ein nötiger Rückruf aber «vertuscht» oder verzögert und/oder dann dilettantisch abgewickelt wird, dann gibt es im Markt dafür keinerlei Akzeptanz. Kunden, Investoren und andere Stakeholder können sich sehr schnell endgültig abwenden. Am Ende des Beitrags finden Sie daher auch Checklisten zu den möglichen Präventionsmassnahmen und zum Vorgehen, sollte eine akute Rückrufsituation eintreten.
Wenn bei einem Kunden oder Dritten Schäden durch ein mangelhaftes Produkt verursacht werden, dann haftet das Unternehmen für diese Schäden und muss sie ersetzen. Soweit das Produktehaftungsgesetz Anwendung findet, handelt es sich sogar um eine verschuldensunabhängige Haftung.
Stellt ein Unternehmen also fest, dass es ein mangelhaftes Produkt (z.B. eine Maschine oder ein elektrisches Gerät) in Verkehr gebracht hat, kann es durch einen rechtzeitigen Rückruf den Eintritt von Schäden und eine mögliche Haftung dafür vermeiden oder zumindest begrenzen.
Marktaufsichtsbehörden haben in gravierenden Fällen die Kompetenz Produktrückrufe anzuordnen, beispielsweise bei Verletzungen von gesetzlich geforderten Bestimmungen (z.B. Niederspannungsrichtlinie, Maschinenrichtlinie, EMV-Richtlinie, …). Die Arbeitsschutzbehörden können eine Stilllegung und/oder ein Verwendungsverbot von mangelhaften Produkten bei den verwendenden Betrieben anordnen. Weitere Sanktionierungsmöglichkeiten seitens der Behörden sind Bussgelder und Verkaufsverbote.
Bei Verletzung von Patent-, Modell-, Marken- oder Urheberrechten von Dritten wird in der Regel zunächst ein entsprechendes Abmahnungsschreiben («cease and desist letter») eingehen, welches einen Rückruf fordert und eine entsprechende Frist setzt. Wenn in der Tat eine gravierende Verletzung der Immaterialgüterrechte eines Dritten vorliegt und keine einvernehmliche Regelung gefunden werden kann, kann ein Rückruf kostengünstiger als ein langjähriges, aufwändiges Rechtsverfahren sein.
Viele Maßnahmen für den Fall eines Rückrufs sollten bereits im Vorfeld organisiert werden. Nur eine gute Vorbereitung hilft, im Ernstfall bestmöglich gewappnet zu sein. Durch eine sorgfältige Vorbereitung kann die durch die Notwendigkeit eines Rückrufs entstehende Hektik abgefedert werden. Diese präventiven Maßnahmen lassen sich in zwei Gruppen unterscheiden:
Zusätzlich können auch bereits organisatorische Präventionsmassnahmen getroffen werden:
Beim Eintreten einer Rückrufsituation gilt es Ruhe zu bewahren, aber dennoch keine unnötige Zeit zu verlieren. Erste Priorität hat das Sammeln der relevanten Fakten und deren Bewertung: liegt ein genügender Grund für einen Produkterückruf vor und welche Risiken bestehen, wenn das fehlerhafte Produkt nicht zurückgerufen wird?
Gestützt auf das Ergebnis muss das Management informiert werden, damit die erforderlichen Entscheidungen getroffen werden. Allenfalls sollte bereits jetzt über einen Liefer- und Produktionsstopp entschieden werden.
Zur Schadensbegrenzung sollten umgehend die geeigneten operativen Massnahmen getroffen werden, wie Produktions- und Lieferstopp, Kontrolle des Lagerbestands und allenfalls eine Information an verbundene Unternehmen (z. B. Tochtergesellschaften, auch im Ausland). Wichtig ist insbesondere die rechtzeitige Information der Versicherung, da diese ein Recht zur Mitwirkung an der Schadensregulierung fordern kann, und anderenfalls später die Deckung verweigern kann.
Auf der kommerziellen Seite ist die günstigste Möglichkeit zur Regulierung festzulegen, z.B. Austausch mit einem Ersatzprodukt, Reparatur des fehlerhaften Produkts, oder Angebot einer (teilweisen) Rückzahlung des Kaufpreises.
Sodann sind die zuständigen Behörden zu informieren (etwa BAuA).
Die schriftliche Kundeninformation über den Rückruf ist präzise abzufassen und der Verteilerkreis ist zu definieren:
Bei umfangreichen Rückrufaktionen empfiehlt sich die Vorbereitung einer internen Sprachregelung und falls erforderlich einer Pressemitteilung.
Last but not least ist die fachgerechte Entsorgung der fehlerhaften Produkte sicherzustellen.
Checkliste: Vorbereitung Produktrückruf
Checkliste: Durchführung Produktrückruf
Verfasst am: 26.08.2019
RA Dr. Philipp von Schweinitz Gestaltet bei Industrie-Unternehmen als „External Legal Department“ pragmatische und effiziente rechtliche Prozesse, insbesondere Contract-, Compliance-, Risk- und Claims Management. Zuvor Leiter der Rechtsabteilung bei internationalen Industrieunternehmen. Dozent für Informationsrecht. Gestaltet lieber mit Ingenieuren effektive Präventions-Prozesse, als mit anderen Rechtsanwälten aufwändig die Schäden zu beseitigen.
E-Mail: Philipp.vonSchweinitz@External.Legal | https://external.legal
Claudine Fröhlicher Unterstützt als Unternehmensjuristin führende innovative Industrie- und Consumer Product-Unternehmen seit vielen Jahre erfolgreich bei ihrem Wachstum. Ihre Schwerpunkte liegen im Vertrags-, Immaterialgüter- und Lizenzrecht, im Sport-, Wettbewerbs- und Arbeitsrecht.
E-Mail: Claudine.Froehlicher@External.Legal | https://external.legal
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