Fachbeitrag

Cyber-Security im Arbeitsschutz

TRBS 1115 Teil 1

Cybersicherheit für sicherheitsrelevante Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen


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Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) konkretisieren die Anforderungen der deutschen Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Die Veröffentlichungen – so ist es im Vorwort zu lesen – „geben den Stand der Technik (…) sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für die Verwendung von Arbeitsmitteln wieder." 

Die TRBS 1115 Teil 1 zeigt, dass im gesamten industriellen Kontext Cyber-Sicherheit einen immer höheren Stellenwert einnimmt. Insbesondere relevant daran ist, dass mit dieser Veröffentlichung auch darauf hingewiesen wird, dass das Thema Security keine reine IT-Angelegenheit ist, sondern, dass Anforderungen an OT (Operational Technology) explizit adressiert werden müssen, um ein entsprechend hohes Niveau an Arbeitsschutz gewährleisten zu können.

Dies geht Hand in Hand mit den bereits vorhandenen bzw. in Entstehung befindlichen öffentlich-rechtlichen Produkt-Anforderungen, welche die Berücksichtigung von Cyber-Security bereits während der Konstruktion – also vom Hersteller – verlangen. Allen voran ist hier der Cyber Resilliance Act zu nennen.

Die TRBS 1115 Teil 1 richtet sich naturgemäß an den Betreiber. Dennoch sollten auch Hersteller Kenntnis von der TRBS 1115 Teil 1 nehmen, da die dort spezifizierten Anforderungen einen Einblick geben, welche Anforderungen in Zukunft umzusetzen sind. Aufgrund von Vorschriften wie dem Cyber Resilliance Act, oder aufgrund von Kundenanforderungen, welche ggf. nicht zuletzt auf TRBS 1115 beruhen.

Um einen schnellen Überblick zur TRBS zu bekommen, sind nachfolgend einige Abschnitte und Zitate erwähnt.
 

Inhalt der TRBS 1115 Teil 1

  • 1 Anwendungsbereich
  • 2 Begriffsbestimmungen
  • 3 Anforderungen der Cybersicherheit an sicherheitsrelevante MSR-Einrichtungen
  • 4 Planung und Realisierung der Ausrüstung eines Arbeitsmittels mit einer sicherheitsrelevanten MSR-Einrichtung im Hinblick auf Cybersicherheit durch den Arbeitgeber
  • 5 Überprüfung der Wirksamkeit der Cybersicherheitsmaßnahmen
  • 6 Prüfung des Arbeitsmittels vor Inbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtiger Änderung nach §§ 14 und 15 BetrSichV
  • 7 Wiederkehrende Prüfung von Arbeitsmitteln mit sicherheitsrelevanten MSR Einrichtungen nach §§ 14 und 16 BetrSichV
  • 8 Verwendung und Instandhaltung
  • Anhang 1 Management der Cybersicherheit
  • Anhang 2 Regelwerke und Normen

Die vollständigen Inhalte finden Sie im unten stehenden Link zum Volltext der TRBS 1115 Teil 1.

 

Mögliche Auswirkungen

«Mögliche Auswirkungen von Cyberbedrohungen können sein:

  1. Beeinflussung der Verfügbarkeit (z. B. Deaktivieren oder Blockieren der Funktion von sicherheitsrelevanten MSR-Einrichtungen),
  2. Verletzung der Integrität (z. B. unberechtigte Änderung von Daten),
  3. Verletzung der Vertraulichkeit (z. B. Abfluss von Daten einschließlich Passwörtern und Signaturen).»

Insbesondere auf konkrete sicherheitsrelevante Einrichtungen wie Drehzahlüberwachungssysteme oder Kontaktüberwachungen (z.B. Verriegelungseinrichtungen von Schutztüren) übertragen wird sichtbar, dass vermeintlich nur mittelbar relevante Cyber-Bedrohungen Einfluss auf die konkrete mechanische oder steuerungstechnische Sicherheit haben können.


Unterscheidung IT / OT

«Die IT/OT-Umgebung im Sinne dieser TRBS bezeichnet die IT/OT-Systeme (Netz- und Informationssysteme im Sinne der Verordnung (EU) 2019/881), die temporär oder dauerhaft einen Informationsaustausch mit sicherheitsrelevanten MSR-Einrichtungen haben.

Hinweis 1: Die IT/OT-Umgebung kann als möglicher Angriffsweg einen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der sicherheitsrelevanten MSR-Einrichtungen besitzen.

Hinweis 2: IT-Systeme sind die Hard- und Softwarekomponenten zur elektronischen Datenverarbeitung (IT – Information Technology). OT-Systeme sind die Hard- und Softwarekomponenten zur Steuerung, Regelung, Überwachung und Kontrolle von Maschinen, Anlagen und Prozessen (OT – Operational Technology).»
 

Instandhaltung

«Instandhaltung im Sinne dieser TRBS umfasst die für die Aufrechterhaltung der Cybersicherheit erforderlichen Tätigkeiten an der Hard- und Software der betroffenen Komponenten. Insbesondere zählen hierzu sicherheitsrelevante Software-Updates.»
 

Cybersicherheitsmaßnahmen

Abschnitt 4.5 der TRBS 1115 Teil 1 nennt Auslegungsgrundsätze (4.5.1) und Anforderungen an Cybersicherheitsmaßnahmen (4.5.2), welche insbesondere auf die Verfügbarkeit, Integrität und die Vertraulichkeit von Daten abzielen.

Konkret werden einige Maßnahmen genannt (die hier nur verkürzt wiedergegeben werden):

  • Segmentierung von Netzwerken (Zonenbildung). Zu beachten ist hier, dass die TRBS schreibt, dass getrennte Leitungen virtuellen Segmentierungen (virtuelle lokale Netzwerke, VLANs) vorzuziehen sind.
  • Hinsichtlich des häufig (auch unter Herstellern) diskutierten Fernzugriffs schreibt die TRBS:
    «Der Zugriff auf die IT/OT-Umgebung und die sicherheitsrelevante MSR-Einrichtung aus dem Internet und umgekehrt (Fernzugriff) ist mit besonders hohen Risiken verbunden und deshalb technisch zu unterbinden oder mit besonderen Cybersicherheitsmaßnahmen (z. B. zwingende Freigabe des Zugriffs durch den Arbeitgeber) zu schützen. 
    Der Zugriff auf die sicherheitsrelevante MSR-Einrichtung aus der IT/OT-Umgebung durch automatisierte Dienste, z. B. Auslesen von Statusinformationen, ist rückwirkungsfrei zu initiieren und geeignet abzusichern.»
  • Zugriffe sollen sowohl durch logische Barrieren (Passwörter, Zugangskarten, etc.) wie auch durch physische Barrieren (z.B. eigene Räume zu denen nur befugte Personen Zugang haben) begrenzt werden.
  • Die Angriffsfläche von Komponenten soll möglichst reduziert werden, indem:
    • nicht benötigte Hardware-Schnittstellen deaktiviert oder blockiert werden
    • nicht benötigte Software-Komponenten deaktiviert oder entfernt werden
    • nicht autorisierte Kommunikationsverbindungen abgeschalten oder unterdrückt werden.
  • Sicherheitsrelevante MSR-Einrichtungen dürfen von der IT/OT-Umgebung nicht unzulässig beeinflusst werden. Insbesondere müssen dabei auch sogenannte Denial-of-Service-Angriffe (DoS-Angriffe) berücksichtigt werden, die z.B. darauf abzielen durch eine Vielzahl gleichzeitiger Angriffe ein System in die Knie zu zwingen.

Weiteres nennt TRBS 1115 Teil 1 Anforderungen an die Überwachung von Systemen sowie an das Notfallmanagement.

 

Fazit

Das Thema Cyber-Security wurde in der Vergangenheit mitunter als reines «Betreiberproblem» abgetan bzw. wurde mitunter eher vernachlässigt oder auf sehr abstrakter Ebene (z.B. mit Aussagen wie: «Wir haben ja eh eine Firewall!») behandelt.

Die TRBS 1115 Teil 1 gibt nun konkretere Einblicke in die Pflichten von Betreibern, zeigt aber auch auf, dass eine horizontale Betrachtung («Wir haben eh eine Firewall!») nicht ausreichend ist, sondern dass durch entsprechende Konzepte die einzelnen Netzwerkkomponenten (wie smarte Maschinen, etc.) innerhalb des Netzwerks bezüglich Security im Zuge der Gefährdungsbeurteilung bewertet werden müssen und für diese einzelnen Komponenten wirksame Maßnahmen angewendet werden müssen.

Diese Betrachtung wird insofern den Druck auf Hersteller erhöhen, da Betreiber – wie sie das auch z.B. bei der Maschinensicherheit erfolgreich tun – selbstverständlich einen Teil der innerbetrieblichen OT-Security dadurch erfüllen wollen, dass sie Komponenten (Maschinen, elektrische Geräte, etc.) kaufen, bei denen Security built-in ist.

Die TRBS unterscheidet in Abschnitt 3.3 zwischen Art und Umfang von erforderlichen Maßnahmen, je nachdem, ob in «verwendungsfertigen Arbeitsmitteln» der Schutz gegen Cyberbedrohungen «nach dem Stand der Technik [durch den Hersteller, Anm.] bestätigt wurde», oder, ob «verwendungsfertige Teile» beschafft wurden, welche «ohne ausreichende Cybersicherheitsmaßnahmen» auf dem Markt bereitgestellt wurden.

Letzteres wird wohl eine Floskel sein, die insbesondere auf die Zeitspanne abzielt, bis weitergehende inverkerbringensrechtliche Bestimmungen (wie der Cyber Resilliance Act, CRA) in Kraft treten.

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Die TRBS 1115 Teil 1 schlägt in die gleiche Kerbe wie der CRA oder die neue Maschinenverordnung. Das Thema Cybersicherheit ist gekommen um zu bleiben. Hersteller von technischen Produkten sollten die Zeit bis zur verpflichtenden Anwendung etwaiger direkt anwendbarer Vorschriften nutzen um sich mit Konzepten der OT-Security vertraut zu machen – die Betreiber werden es (unter anderem gestützt auf TRBS 1115 Teil 1) ohnehin fordern.


Verfasst am: 16.11.2023

Autor

Johannes Windeler-Frick, MSc ETH
Geschäftsführer der IBF Solutions. Fachreferent CE-Kennzeichnung und Safexpert. Vorträge, Podcasts und Publikationen zu unterschiedlichen CE-Themen, insbesondere CE-Organisation und effizientes CE-Management. Leitung der Weiterentwicklung des Softwaresystems Safexpert. Studium der Elektrotechnik an der ETH Zürich (MSc) im Schwerpunkt Energietechnik sowie Vertiefung im Bereich von Werkzeugmaschinen.

E-Mail: johannes.windeler-frick@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com
 


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