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Die Maschinenverordnung ermöglicht ausdrücklich die Bereitstellung von Betriebsanleitungen und Konformitätserklärungen in digitaler Form. Besonders herstellende Unternehmen von Sondermaschinen begrüßen dies, da die Erstellung von Betriebsanleitungen in Papierform viele Ressourcen bindet. Zudem liegen viele Dokumente intern bereits digital vor. Was sind die Bestimmungen der Maschinenverordnung für die Bereitstellung von Betriebsanleitungen und Konformitätserklärungen in digitaler Form? Und dürfen bereits heute, unter Anwendung der Maschinenrichtlinie, Betriebsanleitungen und Konformitätserklärungen digital bereitgestellt werden? Dieser Fachbericht widmet sich der Beantwortung dieser Fragen. Aktuell gibt es sowohl eine Richtlinie als auch eine Verordnung und beide sind für herstellende Unternehmen von Maschinen von Bedeutung. Die Bestimmungen der Maschinenverordnung gelten für alle Maschinen und dazugehörigen, von der Verordnung erfassten Produkte, die ab dem 20.01.2027 erstmalig in Verkehr gebracht werden. Für alle Maschinen und zugehörige Produkte, die vor dem Stichtag in Verkehr gebracht werden, ist weiterhin die Maschinenrichtlinie anzuwenden.
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Die Maschinenverordnung ermöglicht die Bereitstellung von Betriebsanleitungen in digitaler Form. Die spannende Frage ist jedoch, ob die Betriebsanleitung von Maschinen, die zeitnah, also vor dem 20.01.2027, in Verkehr gebracht werden und somit unter die Maschinenrichtlinie fallen, ebenfalls digital bereitgestellt werden dürfen. Dazu bezieht der im April 2024 veröffentlichte „Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG“ Auflage 2.3 erstmals Stellung. In § 255 wird dargelegt, dass aufgrund der weiten Verbreitung des Internets in EU-Haushalten eine digitale Bereitstellung der Betriebsanleitung schon heute zulässig ist, wenn die formalen Bestimmungen der Maschinenverordnung eingehalten werden. Wenn die Betriebsanleitung digital bereitgestellt wird, muss das herstellende Unternehmen nach Art. 10 Abs. 7 Maschinenverordnung folgende formalen Bestimmungen einhalten:
Der „Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG“ empfiehlt in § 255 zusätzlich den Hinweis „Der Käufer hat das Recht, die Betriebsanleitung kostenlos in Papierform anzufordern.“ an der Maschine selbst, auf der Verpackung oder in den beigefügten Unterlagen mit aufzunehmen. Der Hinweis sollte außerdem die Kontaktdaten des herstellenden Unternehmens und Angaben, wie die Betriebsanleitung bezogen werden kann, enthalten.
Bei Maschinen oder dazugehörigen Produkten, die für nicht professionelle Nutzer bestimmt sind, muss das herstellende Unternehmen die wesentlichen Sicherheitsinformationen zwingend in Papierform bereitstellen (Art. 10 Abs. 7 UAbs. 4). Diese enthalten laut Leitfaden mindestens Angaben über die Montage, die Inbetriebnahme, die Verwendung, die Wartung und den Transport der Maschine. Die „wesentlichen“ Sicherheitsinformationen werden mit der Risikobeurteilung ermittelt.
Dateiformat für digitale Betriebsanleitungen
Weder die Maschinenverordnung noch der „Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG“ fordern ein spezifisches Dateiformat. Grundsätzlich empfiehlt es sich jedoch ein Format zu wählen, das bereits sehr weit verbreitet und zukunftssicher ist. Zudem muss, wie bereits oben ausgeführt, darauf geachtet werden, dass nach Art. 10 Abs. 7 Maschinenverordnung die digitale Betriebsanleitung jederzeit ausgedruckt, heruntergeladen und auf einem elektronischen Gerät gespeichert werden können muss.
Die Maschinenverordnung regelt die formalen Bestimmungen an die Bereitstellung digitaler Konformitätserklärungen in Art. 10 Abs. 8. Der „Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG“ greift das Thema im § 261 auf. Auch digitale Konformitätserklärungen nach EG-Maschinenrichtline sind möglich, wenn die formalten Bestimmungen der Maschinenverordnung eingehalten werden. Die Maschinenverordnung bestimmt, dass digitale Konformitätserklärungen mittels Angabe einer Internetadresse (URL) oder eines maschinenlesbaren Codes (z. B. QR-Code) in der Betriebsanleitung zugänglich gemacht werden müssen. Wie digitale Betriebsanleitungen müssen auch Konformitätserklärungen für die voraussichtliche Lebensdauer der Maschine, mindestens jedoch 10 Jahre ab der erstmaligen Inverkehrbringung, online zugänglich sein. Oft werden Maschinen neben der Maschinenverordnung von weiteren EU-Rechtsvorschriften erfasst. Einige EU-Rechtsvorschriften, wie die Richtlinie 2014/34/EU für Geräte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen, auch ATEX-Richtlinie genannt, enthalten keine Bestimmungen zur digitalen Konformitätserklärung. Würde ein Ausrüstungsteil einer Maschine unter die ATEX-Richtlinie fallen, wäre die dazugehörige Konformitätserklärung in Papierform somit obligatorisch. Für Maschinen gilt jedoch, dass die Konformitätserklärung nach Maschinenverordnung eine Auflistung aller mitgeltenden EU-Rechtsvorschriften enthält. Eine digitale Konformitätserklärung ist somit für Maschinen, die von mehreren EU-Rechtsvorschriften erfasst werden, immer möglich.
Die Maschinenverordnung ermöglicht ab dem 20.01.2027 die digitale Bereitstellung von Betriebsanleitungen und Konformitätserklärungen. Für Maschinen, die bereits vorher in Verkehr gebracht werden, sind digitale Betriebsanleitungen und digitale Konformitätserklärungen zulässig. Technologien für die Bereitstellung digitaler Produktinformationen sind heute schon vorhanden. Jedoch dürfte die Organisation und langfristige Verfügbarkeit der Produktinformationen ohne geeignete Softwarelösungen aufwendig sein. Die Verordnung schafft dennoch eine zeitgemäße Grundlage, um die Dokumentation effizienter zu gestalten und den Zugang zu wichtigen Produktinformationen zu erleichtern.
Verfasst am: 04.11.2024
Stefan Winkler
Geschäftsführer der Winkler GmbH. Zertifizierter Product Compliance Officer ISO/IEC 17024; langjährige Tätigkeiten in der Entwicklung/Konstruktion, Technischen Redaktion, CE-Beratung und CE-Projektleitung.
E-Mail: stefan.winkler@winklergmbh.de
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