Fachbeitrag

Dokumentationsbevollmächtigte gemäß Maschinenverordnung

Änderungen in der Zusammenstellung der technischen Dokumentation


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Mit der neuen EU-Maschinenverordnung 2023/1230 ergeben sich Änderungen für die Unterzeichnung der EU-Konformitätserklärung. Forderte die bisherige Maschinenrichtlinie 2006/42/EG noch eine konkrete Person zur Zusammenstellung der technischen Unterlagen, so ist diese Formulierung im Text der neuen Verordnung nicht mehr zu finden. Dieser Fachbeitrag fasst die Neuerungen, die sich dadurch für Bevollmächtigte im Bereich der Kommunikation ergeben, im Detail zusammen.
 

Informationen und Unterlagen für den Nachweis der Konformität 

Die aus der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG bekannte Forderung nach der „Person, die bevollmächtigt ist, die technischen Unterlagen zusammenzustellen“ (Anhang II, A.) gibt es nach der Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 nicht mehr. Diese Anforderung war ein Alleinstellungsmerkmal der Maschinenrichtlinie und wurde nun an den „New Legislative Framework“ angepasst. 

Diese Person wurde durch die Anforderung „Als Anschrift ist eine einzige Anlaufstelle, an der der Hersteller kontaktiert werden kann, anzugeben“ (Artikel 10 und Artikel 11, Unterabsatz 6) ersetzt. Diese Kontaktdaten werden nicht mehr in der Konformitätserklärung angegeben, sondern die Hersteller geben ihren Namen, ihren eingetragenen Handelsnamen oder ihre eingetragene Handelsmarke, ihre Postanschrift, ihre Website und ihre E-Mail-Adresse oder eine andere digitale Kontaktmöglichkeit an, unter der sie erreichbar sind. Dies muss entweder auf der Maschine oder dem zugehörigen Produkt selbst oder, falls dies nicht möglich ist, auf der Verpackung oder in den der Maschine oder dem zugehörigen Produkt beigefügten Unterlagen angegeben werden.

Das bedeutet, dass sich die zuständigen nationalen Behörden künftig über die angegebene E-Mail-Adresse (oder eine andere digitale Kontaktmöglichkeit) an die Hersteller wenden.

Auf deren begründetes Verlangen müssen Hersteller alle Informationen und Unterlagen, die für den Nachweis der Konformität der Maschine oder der zugehörigen Produkte mit der Maschinenverordnung erforderlich sind, in Papierform oder in digitaler Form in einer Sprache, die von dieser Behörde leicht verstanden werden kann, zur Verfügung stellen. Hersteller kooperieren "mit dieser Behörde auf deren Verlangen bei allen Maßnahmen zur Abwendung von Gefahren", die von deren Maschinen oder zugehörigen Produkten ausgehen können, die sie in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen haben, heißt es weiter in der Maschinenverordnung (Artikel 10, Unterabsatz 10).

Welche Aufgaben hat nun der Hersteller bzw. der vom Hersteller intern Beauftragte?

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1. Wer soll “zusammenstellen“?

Wer kann und muss Hersteller sein? Die Maschinenverordnung nennt in dieser Frage eindeutig den Hersteller, den Bevollmächtigten, den Importeur und auch den Händler, je nachdem, welche Wirtschaftsakteure beteiligt sind. Grundsätzlich richtet sich diese Aufgabe an den Hersteller der Maschine bzw. des zugehörigen Produkts.

Entscheidet sich ein außerhalb der EU ansässiger Maschinenhersteller, seine Produkte in der EU in Verkehr zu bringen, so darf nach Artikel 4 (1) der Marktüberwachungsverordnung (EU) 2019/1020 "ein Produkt, das den (...) genannten Rechtsvorschriften unterliegt, nur in Verkehr gebracht werden, wenn ein in der Union niedergelassener Wirtschaftsakteur für dieses Produkt (...) verantwortlich ist."

Auch der Importeur ist verantwortlich, wenn er ein Produkt aus einem Drittland, das in den Anwendungsbereich der Maschinenverordnung fällt, in der EU in Verkehr bringt. Und auch der Händler ist in den Artikeln 15 und 16 der Maschinenverordnung für diese Aufgabe vorgesehen.

In diesem Artikel wird im Folgenden der Begriff „Hersteller“ verwendet, obwohl auch die zuvor genannten Wirtschaftsakteure gemeint sein können. Laut EU-Kommission muss es der „Hersteller“ bzw. einer der oben genannten Wirtschaftsakteure sein, wenn er beteiligt ist - das ist wenig hilfreich, denn damit ist jeder Mitarbeiter des Unternehmens gemeint.

Als Hersteller müssen Sie intern sicherstellen, dass die Anfrage der zuständigen nationalen Behörden über die von diesen angegebenen Kontaktmöglichkeiten auch die richtigen Personen im Unternehmen erreicht. In Ihrer Organisationsstruktur muss es dann immer eine Person geben, die der Behörde die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellt und mit ihr zusammenarbeitet. Diese Person muss aber nicht mehr zuvor formal benannt werden – weder in der Konformitätserklärung noch in anderen Dokumenten.

2. Was sind die Aufgaben und was muss die zusammenstellende Person können?

Wenn die Aufgabe darin besteht, alle Informationen und Unterlagen, die für den Nachweis der Konformität der Maschine oder des zugehörigen Produkts mit der Maschinenrichtlinie erforderlich sind, in Papierform oder in digitaler Form in einer für diese Behörde leicht verständlichen Sprache zur Verfügung zu stellen, muss dies möglich sein. Dazu sind drei Dinge erforderlich:

  1. Zunächst muss man wissen, was unter „alle Informationen und Unterlagen“ zu verstehen ist. Das ist gar nicht so einfach, wenn man sich den Anhang IV der Maschinenverordnung anschaut.
  2. Zweitens muss „die Person Zugang zu den benötigten Informationen haben und über die Mittel verfügen, diese Informationen zusammenzustellen“.
  3. Es ist noch zu klären, ob diese Person auch für die Zusammenarbeit mit dieser Behörde bei allen Maßnahmen zur Abwendung der Gefahren verantwortlich ist, die von den von ihr in Verkehr gebrachten oder in Betrieb genommenen Maschinen oder zugehörigen Produkten ausgehen, oder ob dafür eine andere Person zuständig oder ggf. besser geeignet ist.

3. Für wen wird zusammengestellt?

Die Hersteller stellen auf begründetes Verlangen alle Informationen und Unterlagen zur Verfügung. Eine Liste der zuständigen nationalen Behörden finden Sie auf der Seite der Europäischen Kommission.

Als Hersteller ist es wichtig zu wissen, dass nur die „nationale“ Marktüberwachungsbehörde die genannten Unterlagen anfordern kann, z.B. wenn Zweifel hinsichtlich der Konformität der Maschine mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen bestehen.

Anderen Stellen - z. B. dem Geschäftspartner oder dem Geschädigten - können Sie alle Informationen und Unterlagen, die für den Nachweis der Konformität der Maschine erforderlich sind, z. B. die Risikobeurteilung, freiwillig zur Verfügung stellen, z. B. auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung. Eine Verpflichtung, Privatpersonen alle Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für den Nachweis der Konformität der Maschine erforderlich sind, sieht die Maschinenverordnung nicht vor.

Darüber hinaus sind Unternehmen gut beraten, die technischen Unterlagen für eigene Zwecke verfügbar zu halten. Anhand der Unterlagen sollte es möglich sein, nachzuweisen, dass sich eine Maschine zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens in einem bestimmten Zustand befand. Bei der Klärung der Frage, wer für einen Unfall - der z. B. durch die Manipulation von Schutzeinrichtungen begünstigt oder verursacht wurde - verantwortlich ist, können die technischen Unterlagen daher für Hersteller ein wichtiges Beweismittel darstellen.

4. Wie ist das Haftungsrisiko?

Wenn die Marktüberwachungsbehörden die Risikobeurteilung des Herstellers oder andere technische Unterlagen benötigen, werden sie den Hersteller selbst, also das Unternehmen, anschreiben1. Es ist dann „Sache des Unternehmens, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die an seinen Sitz adressierten Schreiben an die verantwortliche Person weitergeleitet werden2.

Diese Beispiele zeigen, dass es bereits seit einigen Jahren, in denen die nationale Umsetzung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG in Kraft ist, von einigen Gerichten so gehandhabt wird, dass sich die nationale Behörde auf begründeten Antrag direkt an den Hersteller und nicht an den Dokumentationsbeauftragten wendet.

Der „interne Zusammenstellungsbeauftragte“ ist arbeitsrechtlich - wie jeder Angestellte eines Unternehmens - dem Arbeitgeber gegenüber verantwortlich. Was er jedoch nicht, zu spät oder falsch tut, wird dem Unternehmen zugerechnet und kann nicht gegen ihn persönlich geltend gemacht werden:

  1. Die Verhängung einer Geldbuße ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, praktisch nicht relevant. Einschlägig wäre § 9 OWiG3 . Es ist kaum vorstellbar, dass der Versammlungsleiter als Verantwortlicher in diesem Sinne anzusehen ist.
  2. Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung scheidet aus, da durch die unterlassene, verspätete oder unvollständige Zusammenstellung aller für den Nachweis der Konformität der Maschine erforderlichen Informationen und Unterlagen kein Personenschaden verursacht werden kann - es fehlt also an der Kausalität.
  3. Eine Schadensersatzhaftung gegenüber Dritten ist nicht möglich, da durch die unterlassene, verspätete oder unvollständige Bereitstellung aller Informationen und Unterlagen, die für den Nachweis der Konformität der Maschine erforderlich sind, niemand geschädigt wird.
  4. Eine Schadensersatzhaftung gegenüber dem eigenen Arbeitgeber ist hingegen möglich. Der Schaden könnte durch eine behördlich angeordnete Stilllegung der Maschine entstehen. Arbeitgeber werden sich aber gut überlegen, ob sie ihre eigenen Arbeitnehmer verklagen - das kommt in der Praxis eher selten vor. Und wenn es doch passiert, bietet das System des „innerbetrieblichen Schadensausgleichs“ in Deutschland bzw. das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz in Österreich oder Art. 321 e Abs. 2 OR in der Schweiz Schutz. Weitere Details dazu finden Sie im Fachbeitrag „Haften Konstrukteure für Konstruktionsfehler persönlich?“


Weiterführende Informationen

Weitere Informationen zum Thema Verantwortung und Haftung im CE-und Produktentwicklungsprozess finden Sie in unserem Fachbeitrag "Grundlagen: Verantwortung & Haftung im CE-Prozess".


Fußnoten:
1 So wie im Fall VG Düsseldorf, Urteil v. 26.02.2019 (Az. 3 K 9147/18).

2 So sagt es das VG Gelsenkirchen, Urteil v. 23.02.2021 (Az. 14 K 3990/20) – zulässige Adressierung des Anhörungsbogens und der Fahrtenbuchanordnung an GbR.
3 Ausführlich hierzu Wilrich, Arbeitsschutz-Strafrecht – Haftung für fahrlässige Arbeitsunfälle: Sicherheitsverantwortung, Sorgfaltspflichten und Schuld – mit 33 Gerichtsurteilen (2020).


Verfasst am: 10.12.2024

Autoren

Wolfgang Reich
Fachreferent CE-Kennzeichnung und Safexpert HTL Elektrotechnik, Schwerpunkt Energietechnik (Dipl.-HTL-Ing.),  20 Jahre Erfahrung im Bereich CE-Kennzeichnung, Maschinensicherheit, Umbau von Maschinen, Elektrotechnik und Explosionsschutz, 10 Jahre davon bei TÜV Austria und Intertek Deutschland GmbH. Vorsitzender der Meisterprüfungskommission in der Wirtschaftskammer Steiermark für Mechatronik (Automatisierungstechnik und Elektronik).

E-Mail: wolfgang.reich@ibf-solutions.com

 

Prof. Dr. Thomas Wilrich
Tätig rund um die Themen Produktsicherheit, Produkthaftung, Arbeitsschutz und Warenvertrieb einschließlich der entsprechenden Betriebsorganisation, Vertragsgestaltung, Schadensersatz- und Führungskräftehaftung, Versicherungsfragen und Strafverteidigung. Er ist an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule München zuständig für Wirtschafts-, Arbeits-, Technik- und Unternehmensorganisationsrecht sowie „Recht für Ingenieure“.

E-Mail: info@rechtsanwalt-wilrich.de | www.rechtsanwalt-wilrich.de


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