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Das Thema Material Compliance wird für Unternehmen immer wichtiger, da gesetzliche Vorgaben und Nachhaltigkeitsziele eine zentrale Rolle spielen. Im Interview erklärt Frau Schneikert von NovaLoop, was es mit Material Compliance auf sich hat und welche Herausforderungen auf Maschinen- und Gerätehersteller zukommen. Sie beleuchtet nicht nur die gesetzlichen Anforderungen, sondern auch die Chancen, die sich durch ein proaktives Management ergeben – von Innovationen bis hin zur Erschließung neuer Märkte.
Frau Schneikert, vermehrt hören wir in unseren Seminaren Fragen zu „Material Compliance“. Was wird unter Material Compliance genau verstanden?
Katrin Schneikert: Material Compliance bezeichnet die Einhaltung aller relevanten Vorschriften, die den Einsatz von Materialien und Stoffen z.B. in Produkten betreffen – sei es durch Gesetze und vergleichbare Vorschriften oder aber auch aus kundenvertraglicher Anforderungen. Entsprechende Regelungen gibt es inzwischen weltweit und während manche sehr produkt- und branchenspezifisch sind, gelten andere ganz allgemein und branchenunabhängig.
Welche gesetzlichen Vorschriften sind für einen Geräte- und Maschinenhersteller typischerweise relevant?
Katrin Schneikert: So unterschiedlich Geräte und Maschinen in ihrer Funktion und Gestaltung sind, so unterschiedlich stellt sich auch das Anforderungsprofil der Material Compliance dar. In den meisten Fällen ist in der EU die REACH-Verordnung relevant, teils kommen auch die Anforderungen der RoHS-Richtlinie hinzu. Aber auch noch weniger allgemein bekannte Vorschriften wie beispielsweise die POP-Verordnung oder die F-Gas-Verordnung können neben zahlreichen weiteren Regelungen zu beachten sein. Je nach Bauteil oder Baugruppe können auch aus Spezialvorschriften wie der Batterie-Verordnung noch weitere Stoffbeschränkungen relevant werden. Wichtig ist daher in einem ersten Schritt immer, dass man sich einen Überblick über die für das eigene Produkt tatsächlich relevanten Anforderungen verschafft – und diesen Überblick aktuell hält. Material Compliance ist sehr dynamisch und ohne einen genauen Blick auf Entwicklungen rutscht man schnell in eine nicht empfehlenswerte re-aktive Handhabung der Pflichten.
Seminarhinweis
Material Compliance im Geräte- und Maschinenbau
In unserem Seminar erhalten Sie einen Einblick in die Welt der Material Compliance (REACH, RoHS, WFD (SCIP), POP, BattVO, PPWR, WEEE und Material Compliance in Aspekten der Nachhaltigkeit) und Praxisempfehlungen rund um die Implementierung in Ihre Compliance Prozesse.
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Was wird gefordert und wie wird Material Compliance in einem Unternehmen umgesetzt?
Katrin Schneikert: Zur Material Compliance gehören neben der Beachtung von Stoffverboten und -beschränkungen auch z.B. Informations-, Melde- und Kennzeichnungspflichten. Ohne ein effektives Material-Compliance-Management, das die Identifikation und Kontrolle der verwendeten Substanzen umfasst, hängt die Material Compliance mehr oder weniger vom Zufall ab. Da Material Compliance kein „nice to have“ sondern eine Marktzutrittsvoraussetzung ist, braucht es für eine entsprechende Handhabung ein gutes Verständnis von Anforderungslage und Produkt. Grundvoraussetzung sind darüber hinaus eine solide Datenstruktur, gute Lieferkettenkommunikation und ein effizientes Informationshandling. Ohne entsprechende Prozesse ist das kaum umsetzbar.
Hört sich nach viel Bürokratie an. Ergibt sich auch ein Nutzen für den Hersteller?
Katrin Schneikert: Ganz primär ist Material Compliance auch immer eine Frage des Risiko-Managements, das die Teilhabe am Markt erhält – sie dient in dieser Funktion vor allem der Vermeidung von Sanktionen wie etwa Bußgeldern oder Vertriebsverboten. Daneben stecken in einer effizienten und vor allem pro-aktiven Handhabung der Material Compliance aber auch häufig Chancen für das Unternehmen. Diese Chancen reichen vom Innovationstreiber für das Produkt über Wettbewerbsvorteile bis hin zur schnelleren Erschließung neuer Märkte. Nicht zuletzt ist die Material Compliance auch immer wieder Gegenstand von Berichtspflichten der Unternehmen, wie etwa im Zuge der CSRD oder der EU Taxonomie – hier können die errungenen Verbesserungen z.B. im Zuge eines „Produkt-Detox“ auch nach außen transparent gemacht werden.
Welche Herausforderungen ergeben sich bei der praktischen Umsetzung?
Katrin Schneikert: Zum einen werden die rechtlichen Anforderungen weltweit immer komplexer und das erforderliche Fachwissen spezifischer und anspruchsvoller. Auch dass Material Compliance ein „Querschnittsthema“ ist, in welchem verschiedene Unternehmensbereiche eingebunden sind, stellt häufig eine Herausforderung dar. Und schließlich ist Material Compliance ein fortlaufender Prozess, der eine nicht zu unterschätzende stetige Anstrengung darstellt, die erforderlichen Informationen und Daten zu beschaffen, zu pflegen und zu nutzen.
Das Thema Nachhaltigkeit wird immer wichtiger. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in einem Material-Compliance-Management?
Katrin Schneikert: Material Compliance ist eine Ausprägung der Nachhaltigkeit, die auf den Schutz von Ressourcen sowie der Umwelt und Gesundheit zielt. Die dringend notwendige Transformation von der linearen zur zirkulären Wirtschaft ist ohne stoffliche Bestimmungen undenkbar. Themen wie der Einsatz von Rezyklaten, die Handhabung im Recycling oder Möglichkeiten zur erneuten Nutzung erfordern eine immer genauere Kenntnis von der stofflichen Zusammensetzung der Produkte, die letztlich über die Eignung für derartige zirkuläre Maßnahmen entscheiden. Die Nachhaltigkeit ist demnach einer der wichtigsten Treiber der Material Compliance.
Welche Auswirkungen hat das auf die Zusammenarbeit mit den Lieferanten und mit dem Kunden?
Katrin Schneikert: Die Kommunikation entsprechender Materialinformationen in der Lieferkette ist ein Schlüsselelement für ein erfolgreiches Material-Compliance-Management. Die Informationsanforderungen reichen vom Vorhandensein bestimmter Stoffe über die geografische Herkunft von Material bis zu Hinweisen für die sichere Verwendung und Entsorgung. Ein gemeinsames Verständnis der Anforderungen ist dafür hilfreich und erfordert häufig ein Umdenken, in welchem Lieferanten als Compliance-Partner verstanden werden. Das fällt in OEM-Konstellationen häufig leichter als beispielsweise beim Einkauf von „Katalogware“ vom Distributor – und so vielgestaltig Lieferketten sind, so gilt auch hier einmal mehr: eine „one-size-fits-all – Lösung“ gibt es in der Material Compliance nicht.
Vielen Dank für das Gespräch!
Hinweis: Weitere Antworten auf spannende Fragestellungen zum Thema "Material Compliance im Geräte- und Maschinenbau" erhalten Sie in unserem gleichnamigen Seminar mit der NovaLoop GmbH.
Verfasst am: 25.09.2024
Katrin Schneikert
Co-Founder der NovaLoop GmbH. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Entwicklung und Implementierung von Compliance- und Nachhaltigkeitsstrategien für Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen. Mit ihrer langjährigen Erfahrung aus der Unternehmensberatung im Bereich „Material Compliance & umweltbezogene Marktzutrittsvoraussetzungen“ und mit fundiertem Wissen im internationalen Umweltrecht und Europarecht schafft die Volljuristin und Wirtschaftsmediatorin es, Ziele der Nachhaltigkeitsentwicklung mit wirtschaftlichen und rechtlichen Belangen der Produktcompliance lückenlos zu verknüpfen. Damit unterstützt sie Umwelt-Compliance-Programme und Nachhaltigkeitsprojekte engagiert von der Konzeption bis zur erfolgreichen Umsetzung.
E-Mail: kschneikert@novaloop.de
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