Muss der Zugang zu harmonisierten Normen nach deren Listung im EU-Amtsblatt kostenlos erfolgen? Diese Forderung zweier Organisationen aus dem Jahr 2019 gipfelte in einer Klage vor dem Europäischen Gericht (EuG).
Im Juli 2021 wurde schließlich ein Urteil gefällt, welches für Anwender harmonisierter Normen von Interesse ist. Mittlerweile liegt auch eine deutsche Niederschrift des Gerichtsurteils vor. Einige Hintergrundinformationen dazu finden Sie in folgendem Beitrag.
Zwei gemeinnützige Organisationen reichten beim Europäischen Gericht Klage ein, nachdem ihnen vonseiten der EU-Kommission der kostenlose Zugang zu angeforderten harmonisierten Normen verwehrt worden war.
Die Organisationen beriefen sich hierbei auf Erwägungsgrund 4, Artikel 1 der Verordnung 1049/2001 (EG), in welchem festgeschrieben ist, dass es im öffentlichen Interesse ist, einen „größtmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Unionsorgane“ zu gewähren.
Dies beinhaltet auch solche Dokumente, die die EU-Kommission von Dritten, nämlich – wie im Fall der Klage – von den europäischen Normungsinstituten CEN und CENELEC erhält.
Im Weiteren führten die Kläger auf, dass harmonisierte Normen mit ihrer Listung im EU-Amtsblatt Teil des Unionsrechts wären. Ein solcher „Gesetzestext“ müsse der Allgemeinheit frei und kostenlos zur Verfügung gestellt werden und vom Urheberrecht ausgeschlossen werden. Hierbei beriefen sie sich auf Erwägungspunkt 4, Artikel 2 der oben genannten Verordnung, nämlich dass ein Zugang zu rechtlichen Dokumenten ein „überwiegend öffentliches Interesse“ darstellt.
Das Europäische Gericht hat die Klage der Organisationen abgewiesen. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass der Zugang zu Dokumenten gemäß 1049/201 (EG) eingeschränkt werden kann, wenn dadurch geistiges Eigentum von natürlichen oder juristischen Personen – in diesem Fall der Normungsorganisationen - beeinträchtigt wird. Hier werden die „geschäftlichen Interessen des CEN oder seiner nationalen Mitglieder“ als Begründung herangezogen, da diese auch ein geschäftliches Interesse mit der Erstellung und Veröffentlichung von harmonisierten Normen verfolgen.
Der Teil der Klage, dass ein kostenloser Zugang zu Normen im öffentlichen Interesse liege, wurde deswegen zurückgewiesen, da laut EU-Kommission „kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen bestehe“. Ein weiterer Aspekt des Urteils richtete sich an den Vorwurf, dass harmonisierte Normen als Teil des Unionsrechts kostenlos sein müssten. Hier verweist das Gericht darauf, dass Normen lediglich eine technische Spezifikation darstellen, eine Anwendung jedoch nicht gesetzlich verpflichtend ist. Somit wurde die Klage in allen Punkten abgewiesen. Ein kostenloser Zugang zu harmonisierten Normen steht gemäß dem Urteil nicht in einem überwiegend öffentlichen Interesse und das geistige Eigentum der europäischen sowie nationalen Normungsorganisationen bleibt geschützt. Hieraus folgt, dass Normenanwender somit weiterhin die Dokumente über ein nationales Normungsinstitut kostenpflichtig erwerben müssen.
Interessierte Leser können das gesamte Gerichtsurteil auf der Seite des EUG nachlesen. Den Link dazu finden Sie hier.
Das Urteil wurde zwischenzeitlich angefochten. Nähere Informationen dazu finden Sie in unserem Fachbeitrag bezüglich der Empfehlung der Generalanwältin zu kostenfreien Normen.
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Fußnote:1Siehe Verordnung 1049/2001 (EG): https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32001R1049&qid=1638190213637
Verfasst am: 26.06.2023 (Letzte Aktualisierung)
Daniel Zacek-Gebele, MSc Produktmanager bei IBF für Zusatzprodukte sowie Datenmanager für die Aktualisierung der Normendaten am Safexpert Live Server. Studium der Wirtschaftswissenschaften in Passau (BSc) und Stuttgart (MSc) im Schwerpunkt International Business and Economics.
E-Mail: daniel.zacek-gebele@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com
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