Um in einer europäischen Norm einzusehen, inwieweit Anforderungen von EU-Rechtsvorschriften abgedeckt sind, wird diesen Normen häufig ein Informationsanhang mit der Bezeichnung ZA bzw. ZZ beigefügt. Dieser legt fest, in welchem Umfang die Anforderungen einer EU-Richtlinie bzw. EU-Verordnung von der Norm abgedeckt sind. Die europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC bezeichnen einen solchen Informationsanhang als Anhang ZA, ZB oder ZZ.1
Dieser Beitrag beleuchtet diese Art von Normen-Anhang und greift folgende Fragen auf:
Zur Beantwortung der Frage, welche Informationen die o.g. Anhänge enthalten, lohnt sich ein Blick in den Entstehungsprozess einer harmonisierten Norm mit Konformitätsvermutung.
Die Rechtsvorschriften der Europäischen Kommission (wie zum Beispiel die Maschinen- oder Niederspannungsrichtlinie) beinhalten Anforderungen an Erzeugnisse, die unter die jeweilige Richtlinie oder Verordnung fallen. Für die Klärung der technischen Details, wie die Richtlinienanforderungen umgesetzt werden, können „harmonisierte Normen“ herangezogen werden.
Diese entstehen dadurch, dass die EU-Kommission im Rahmen ihres jährlichen Arbeitsprogramms Normungsaufträge an die europäischen Normungsorganisationen erteilt. In diesen Aufträgen legt sie konkrete Anforderungen ihrer Harmonisierungsrechtsvorschriften fest, welche von den Normungsorganisationen bei der Erstellung der harmonisierten Normen berücksichtigt werden müssen.2
Die Normungsorganisationen geben den Normungsauftrag an ihr zuständiges technisches Komitee weiter, welches in weiterer Folge die harmonisierte Norm erstellt. Alle harmonisierten Normen müssen seit einiger Zeit einen Informationsanhang (Anhang ZA, ZB bzw. ZZ) enthalten. In diesem Anhang verweist das technische Komitee auf die Beziehung zwischen den Abschnitten der Anforderungen der Rechtsvorschrift und den entsprechenden Abschnitten der harmonisierten Norm.3
Die Norm wird von den europäischen Normungsorganisationen veröffentlicht. Anschließend prüfen CEN und CENELEC zusammen mit der Kommission, inwieweit die erstellte Norm dem ursprünglichen Auftrag entspricht und ob die „wesentlichen oder sonstigen rechtlichen Anforderungen in der Norm eindeutig wiedergegeben und abgedeckt sind.“4 Für diese Überprüfung sind seit geraumer Zeit z.B. im Maschinenbereich unabhängige Berater zuständig. Diese Consultants assistieren den Technischen Komitees von CEN/CENELEC sowie der EU-Kommission und beurteilen, inwieweit die Anforderungen der Richtlinie in der harmonisierten Norm abgebildet sind. Dies beinhaltet auch eine Prüfung des Anhangs ZA/ZZ, welcher im Rahmen der Consulting-Tätigkeit kommentiert wird.5
Bei Erfüllung der Anforderungen wird die harmonisierte Norm im EU-Amtsblatt der zugehörigen Harmonisierungsrechtsvorschrift veröffentlicht. Dies führt dazu, dass die in Anhang ZA/ZZ einer harmonisierten Norm gelisteten normativen Abschnitte Konformitätsvermutung mit den Anforderungen der EU-Rechtsvorschrift und den Vorschriften der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) auslösen.6
Eine im Auftrag der Kommission erstellte harmonisierte Norm muss nicht zwingend alle wesentlichen Anforderungen der Rechtsvorschrift abbilden. Zumindest muss sie klar zu erkennen geben, welche Anforderungen genau abgedeckt werden sollen. Dies kann in übersichtlicher Weise tabellarisch im Anhang ZA/ZZ erfolgen.
Streng genommen – so der Blue Guide7 - haben die Normungsorganisationen bei der Erstellung des Informationsanhangs ZA/ZZ nur die Möglichkeit eine Absicht darzulegen, welche Normenabschnitte ihrer Meinung nach zu den jeweiligen Richtlinienanforderungen gehören.
Diese Absicht bestätigt die EU-Kommission mit der Listung der harmonisierten Norm im EU-Amtsblatt bzw. lehnt diese durch eine Nichtveröffentlichung entsprechend ab.8
Der CEN-Guide 414 enthält Vorgaben darüber, wie der Informationsanhang aufgebaut sein kann:
In den ersten beiden Absätzen wird das Normungsmandat der EU-Kommission sowie der Zusammenhang von Normenabschnitten, den Anforderungen der Richtlinie sowie dem EU-Amtsblatt dargelegt.
Der eigentliche Anhang ZA, also die Zuordnung der Normenabschnitte zu den Anforderungen der Richtlinie, erfolgt anschließend in einem Absatz oder in tabellarischer Form.
Abschließend enthält der Anhang Warnhinweise. Diese können darauf hinweisen, dass die Norm einer weiteren Rechtsvorschrift unterliegt oder dass man erst mit der Listung der Norm im Amtsblatt der EU von einer Konformitätsvermutung ausgehen kann.
Ursprünglich war den Technischen Komitees bei der Erstellung des Informationsanhangs durch mehrere Optionen noch ein gewisser Handlungsspielraum gegeben. So konnte sich dieser an der Option A.1 orientieren und folgendermaßen aufgebaut sein:
Tabelle 1: Option A.1 eines Anhangs ZA9
Im Falle einer harmonisierten Norm würde dann bei Option A.1 der Anhang folgendermaßen aussehen:10
Diese Art des Aufbaus von Anhang ZA findet sich heute nur noch in etwas älteren Normen.
Mittlerweile akzeptiert die EU-Kommission ausschließlich die Informationsanhänge des Typs „Option C“ des CEN-Guides. Diese Variante sieht vor, dass jede in einer Spalte aufgelistete grundlegende Anforderung einer Rechtsvorschrift einem Abschnitt aus der harmonisierten Norm zugeordnet wird:11
Tabelle 2: Option C eines Anhangs ZA12
Das bedeutet, dass technische Komitees bei der Erstellung der Norm ausschließlich einen Anhang ZA/ZZ in dieser detaillierten Fassung bei CEN/CENELEC einreichen können. Die Normungsorganisationen können die erstellte Norm samt Anhang dann an die EU-Kommission zur weiteren Prüfung übergeben. Ein Beispiel für eine Norm mit einem Informationsanhang des Typs C ist die EN ISO 13854:2019:13
Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch Warnhinweis 1: Dieser unterstreicht, dass ausschließlich die Listung im EU-Amtsblatt die Konformitätsvermutung auslöst.
Erstellt ein technisches Komitee von CEN eine harmonisierte Norm, so handelt es sich um einen Anhang ZA, bei CENELEC um einen Anhang ZZ.
Bedient eine harmonisierte Norm die Anforderungen mehrerer Rechtsvorschriften, so wird die Bezeichnung in Anhang ZA/ZB (CEN) bzw. Anhang ZZA/ZZB (CENELEC) geändert. Dies ist vor allem der Fall, wenn die Rechtsvorschrift überarbeitet wurde und sich die Anforderungen, welche bedient werden sollen, geändert haben.
Ein Sonderfall für die Bezeichnung ergibt sich, wenn weltweit gültige Normen von den internationalen Normungsinstituten ISO und IEC in die europäische Normung übernommen werden. In diesem Fall deckt der Anhang ZA immer die normativen Verweisungen auf internationale Publikationen mit ihren entsprechenden europäischen Publikationen ab. Der Informationsanhang, welcher Anforderungen der EU-Rechtsvorschriften und die zugehörigen Normenabschnitte listet, wird entsprechend in Anhang ZB für von CEN erstellte Normen umbenannt.
Erscheint für eine harmonisierte Norm der IBF-Datenpakete eine Nachfolgenorm, so wird diese mit dem Status „angenommen, vorgesehen zur Veröffentlichung als harmonisierte Norm“ in die IBF-Datenbank übernommen:
Dies verdeutlicht, dass der Herausgeber CEN/CENELEC eine Listung der Norm im EU-Amtsblatt erwartet, diese aber noch nicht erfolgt ist. Somit lösen die in Anhang ZA genannten Abschnitte (noch) keine Konformitätsvermutung aus.
Wird die harmonisierte Norm ins EU-Amtsblatt aufgenommen, ändern die Experten von IBF den Status und vermerken die Rechtsgrundlagen (EU-Durchführungsbeschluss) sowie die Veröffentlichungsmitteilung (EU-Amtsblatt) in den bibliografischen Daten des Datensatzes.
Mit dem Safexpert Änderungs-Assistent bietet Safexpert zudem ein Analysetool auf Abschnittsebene von Normen. Wenn Sie in Ihrem Projekt einen Abschnitt einer Norm für eine Maßnahme verwenden, so können Sie diesen ganz einfach per Mausklick durch den entsprechenden Abschnitt der Nachfolgenorm anzeigen, überprüfen und sogar austauschen.
Mit den Informationsanhängen ZA, ZB, ZZ, … harmonisierter Normen stellen die EU-Kommission und die Normungsorganisationen eine wertvolle Hilfe zur Verfügung. Konstrukteure können so rasch einsehen, welche grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen einer Rechtsvorschrift von der Norm abgedeckt werden.
Bei neueren Normenausgaben wird Normenanwendern eine genaue Gegenüberstellung von Fundstellen einzelner Anforderungen der Richtlinie und den zugehörigen Normenabschnitten zur Verfügung gestellt. Dies ermöglicht eine noch bessere Zuordnung der Anforderungen.
Fußnoten:1Siehe 2016/C 272/01: Bekanntmachung der Kommission – Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“)2Siehe Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung3Siehe CEN/CENELEC-Webinar: 'Harmonized Standards under the Machinery Directive' 4Siehe 2016/C 272/01: Bekanntmachung der Kommission – Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“)5Siehe KAN-Brief 3/10: „Im Dienste der Normenqualität: Die CEN/CENELEC-Consultants“ 6Siehe EN ISO 13857:2019, Anhang ZA7Siehe 2016/C 272/01: Bekanntmachung der Kommission – Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“)8Siehe 2016/C 272/01: Bekanntmachung der Kommission – Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“)9Siehe CEN Guide 414 - Safety of machinery – Rules for the drafting and presentation of safety standards Edition 3, 2017-10-1110Siehe EN 13378:2001+A1:2013-01- Maschinen zur Teigwarenherstellung ― Pressen zur Teigwarenherstellung ― Sicherheits- und Hygieneanforderungen11Siehe: CEN/CENELEC Webinar: Drafting a detailed Annex ZA/ZZ under the Machinery Directive12Siehe CEN Guide 414 - Safety of machinery – Rules for the drafting and presentation of safety standards Edition 3, 2017-10-1113Siehe EN ISO 13854:2019 - Sicherheit von Maschinen — Mindestabstände zur Vermeidung des Quetschens von Körperteilen
Verfasst am: 07.12.2021
Daniel Zacek-Gebele, MSc Produktmanager bei IBF für Zusatzprodukte sowie Datenmanager für die Aktualisierung der Normendaten am Safexpert Live Server. Studium der Wirtschaftswissenschaften in Passau (BSc) und Stuttgart (MSc) im Schwerpunkt International Business and Economics.
E-Mail: daniel.zacek-gebele@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com
Johannes Windeler-Frick, MSc ETH Geschäftsführer der IBF Solutions. Fachreferent CE-Kennzeichnung und Safexpert. Vorträge, Podcasts und Publikationen zu unterschiedlichen CE-Themen, insbesondere CE-Organisation und effizientes CE-Management. Leitung der Weiterentwicklung des Softwaresystems Safexpert. Studium der Elektrotechnik an der ETH Zürich (MSc) im Schwerpunkt Energietechnik sowie Vertiefung im Bereich von Werkzeugmaschinen.
E-Mail: johannes.windeler-frick@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com
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