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Im Februar 2025 veröffentlichte die Internationale Normenorganisation ISO[1] die neuen Normen
Die bisherigen Fassungen von 2011 wurden dabei grundlegend überarbeitet. Die neuen Normen bringen bedeutende Aktualisierungen für die Sicherheit von Industrierobotern und deren Integration in industrielle Anlagen mit sich. Aktuell findet die Übernahme der Normen in das EN- und DIN- bzw. ÖNORM-Normenwerk statt. Die Überarbeitung der Norm erfolgte durch die Working Group 3 des Technischen Komitees Nr. 299. Obwohl diese Arbeitsgruppe international besetzt ist, wurde erneut großer Wert auf eine Harmonisierung unter der Maschinenrichtlinie gelegt.
Im Folgenden eine Auswahl von wichtigen praxisrelevanten Änderungen.
Funktionale Sicherheit
Nach den bisher geltenden Normen war für die sicherheitsrelevanten Steuerungsfunktionen pauschal PL d und Kategorie 3 nach ISO 13849-1 gefordert. Diese pauschale Regelung wurde weitestgehend aufgelöst. Die neuen Normen für Industrieroboter, insbesondere ISO 10218-2, listen nun in einem informativen Anhang so gut wie alle denkbaren Sicherheitsfunktionen einer Industrieroboterapplikation auf und ordnen einen entsprechenden Sicherheits-Performance-Level zu (siehe Auszug Tabelle).
Der Performance-Level kann je nach Sicherheitsfunktion variieren. Außerdem wird der erforderliche Performance-Level als sogenannter Standard- Performance-Level dargestellt. Dahinter verbergen sich folgende Optionen:
Die o.g. Wahlmöglichkeit ermöglicht es dem Konstrukteur, vom Standard- Performance-Level abzuweichen. Hierzu ist jedoch die Anwendung einer umfassenderen Risikobeurteilung erforderlich, die auch einen größeren Dokumentationsaufwand nach sich zieht.
Tabelle: Auszug aus den Sicherheitsfunktionen nach ISO 10218-2:2025
*) Verpflichtend: Muss vorgesehen werden Bedingt: Muss vorgesehen werden, wenn bestimmte Bedingungen zutreffen Optional: Nicht verpflichtend und kann als Option vorgesehen werden
Seminarhinweis
Sichere Roboter und Cobots
In diesem 1,5-tägigen Seminar erfahren Sie wie Robotersysteme und Cobots (Mensch-Roboter-Kollaboration) sicher gestaltet und in Maschinen und Anlagen integriert werden.
zum Seminar
Mit dem Aufkommen der Kollaborierende Robotersysteme (Cobots) entstanden gegenüber den bisher bekannten Industrierobotern generell kleinere und leichtere Robotertypen. Dabei entstanden auch Modelle, die durch ihre Konstruktion schon sehr nahe dem sogenannten inhärenten sicheren Design sind. Also Roboter, von denen nach vernünftigem Ermessen keine große Gefahr ausgeht.
Nach den bisher geltenden Normen war es jedoch nicht möglich, für diese Roboter vereinfachte Sicherheitsanforderungen vorzusehen. Denn die Anforderungen waren bisher für alle Industrieroboter gleich, egal für welche Größe oder Traglast.
Die neue Norm ISO 10218-1:2025 sieht nun zwei Klassen für Industrieroboter vor: Klasse 1 ist für sehr schwache Roboter vorgesehen, von denen nach vernünftigem Ermessen keine große Gefahr ausgeht. Deshalb gelten für diese Roboter verminderte Steuerungs-Anforderungen, in der Regel PL b.
Klasse 2 ist für alle anderen Industrieroboter vorgesehen und dürfte damit den weitaus größeren Anteil umfassen. Für diese Roboter gelten die üblichen höheren Anforderungen.
Integration von ISO/TS 15066
Speziell für kollaborierende Robotersysteme (Cobots) existierte bislang die technische Spezifikation ISO/TS 15066. Die Inhalte dieser Norm wurden nun in ISO 10218-2 übernommen. Die Kollaborationsarten sind:
Die Bedeutung der Kollaborationsart PFL hat in den letzten Jahren für die Praxis stark zugenommen. Cobot-Systeme in der Kollaborationsart PFL kommen in der Regel ohne traditionelle Schutzzäune aus. Dadurch kann es beispielsweise beim unwillkürlichen Hineingreifen in den Arbeitsbereich des Roboters zu einem Kontakt zwischen Cobot und Mensch kommen. Die Kontaktsituationen werden wie folgt unterschieden:
Damit dieser Kontakt nicht zu Verletzungen führt, enthält ISO 10218-2:2025 Grenzwerte. Die Grenzwerte werden wiederum unterschieden in
Normales Stillsetzen (Normal Stop)
Die EG-Maschinenrichtlinie verlangt neben den Befehlsgeräten zum Stillsetzen im Notfall auch solche für Normales Stillsetzen (im englischen Normal Stopping oder kurz „Normal Stop“). Die neue ISO 10218-Serie greift diese Festlegung der Maschinenrichtlinie nun auf und fordert eine Sicherheitsfunktion für Normales Stillsetzen. An der Maschine oder Anlage soll diese Sicherheitsfunktion beispielsweise für das Stillsetzen am Ende einer Schicht genutzt werden. Dieses Stillsetzen soll gefahrlos erfolgen, z.B. ohne ungewolltes Lösen der Last. Zudem soll die „Normal-Stop“-Funktion die missbräuchliche Benutzung der Nor-Halt-Funktion reduzieren[2].
Weitere Änderungen
Des Weiteren wurden Inhalte aus den technischen Berichten ISO/TR 20218-1 und ISO/TR 20218-2 integriert. Dabei geht es um Anforderungen an manuelle Be- und Entladesysteme sowie Greifersysteme.
Zudem erfolgten Änderungen und Ergänzungen u.a. zu: Mechanische Festigkeit, Hebevorgänge, Start-Interlock, Restart-Interlock und Reset, Cybersecurity und Risikobewertung.
Einen guten Überblick über alle weiteren Änderungen bieten [3] und [4].
Fazit und Ausblick
Die aktualisierten Normen ISO 10218-1:2025 und ISO 10218-2:2025 reflektieren die dynamische Entwicklung in der Robotik und bieten einen aktuellen Rahmen für die sichere Implementierung von Industrierobotern in modernen Produktionsumgebungen. Aber: Allein der Umfang des Teil 2 der ISO 10218 ist mit der Neufassung auf über 250 Seiten angewachsen. Die Arbeit in den Konstruktionsbüros wird dadurch sicher nicht einfacher.
Eine kleine Hilfestellung soll der zukünftige technische Report ISO/TR 20218-3 bringen. Der technische Report soll insbesondere die technischen Neuerungen der Normen noch einmal praxisnah erläutern. Die Veröffentlichung von ISO/TR 20218-3 wird Ende 2025 erwartet.
Die Übergangszeiten der neuen Normen wurden aktuell mit 24 Monaten beantragt. Ob die EU-Kommission diese Übergangszeit akzeptiert und so in das Amtsblatt der EU übernimmt ist jedoch noch nicht bekannt. Denn die Listung der Normen im Amtsblatt der EU, löst bei deren Anwendung die Konformitätsvermutung aus. Weiterbildungsveranstaltungen sollten daher genutzt werden, um möglichst schnell an das neue erforderliche Wissen zu gelangen.
Die Einhaltung der Normen EN ISO 10218-1, EN ISO 10218-2 betrifft in erster Linie Hersteller von Industrierobotern und Cobots sowie Systemintegratoren, Maschinenhersteller und Importeure. Jedoch dürften auch Betreiber von Industrieroboteranlagen im Rahmen ihrer gesetzlichen Überwachungspflichten kaum ohne die neuen Normen auskommen.
Literatur:[1] International Organization for Standardization (2025), Titel: ISO 10218-1:2025, Verfügbar unter https://www.iso.org/standard/73933.html, Abrufdatum: 24.02.2025[2] Robot-Safety.net (2025), Titel: Normales Stillsetzen (Normal Stop), Verfügbar unter https://robot-safety.net/normales-stillsetzen-normal-stop/, Abrufdatum: 24.02.2025[3] International Organization for Standardization (2025), Titel: ISO 10218-1, Robotics - Safety requirements – Part 1: Industrial robots (revision of ISO 10218-1:2011) Verfügbar unter https://committee.iso.org/sites/tc299/home/projects/ongoing/iso-10218-1.html, Abrufdatum: 24.02.2025[4] International Organization for Standardization (2025), Titel: ISO 10218-2, Robotics - Safety requirements – Part 2: Industrial robot systems, robot applications and robot cells (revision of ISO 10218-2:2011) Verfügbar unter https://committee.iso.org/sites/tc299/home/projects/ongoing/iso-10218-2.html, Abrufdatum: 24.02.2025
Verfasst am: 05.03.2025
Dr. Matthias Umbreit
Dr. Matthias Umbreit ist in nationalen und internationalen Gremien tätig, u.a. im ISO TC 299 „Robotics“ und als stv. Obmann im Normenausschuss DIN-NA-060-38-01-01-AK „Sicherheit Industrierobotik“. Von 2001 bis 2011 war er als CEN-Consultant für Maschinensicherheit i.A. der EU-Kommission tätig. Im eigenen Ingenieurbüro arbeitet Matthias Umbreit u.a. für Maschinenhersteller und -betreiber, Verlage und Behörden. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen.
E-Mail: info@robot-safety.net
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