Die meisten Unternehmen haben zwischenzeitlich Methoden zur Umsetzung der Maschinenrichtlinie und anderer einschlägiger Richtlinien entwickelt. Aber welche Kosten entstehen bei deren Anwendung? Gibt es Einsparungspotenziale? Was kann ein CE-Beauftragter leisten, und welche Risiken ergeben sich daraus? Kann sich der Einsatz von Softwaresystemen rechnen? Erfahrungsgemäß beeinflussen insbesondere drei Faktoren die Kosten der CEKennzeichnung. Aber lassen sich diese Kosten reduzieren, ohne dass die sicherheitstechnische Qualität der Maschinen oder Anlagen letztlich darunter leidet?
Elementare Neuerungen der Maschinenrichtlinie waren 1995 zum Beispiel die Verpflichtung zur Durchführung von Risikobeurteilungen und zur Dokumentation jeder einzelnen sicherheitstechnisch gewählten Lösung zur Risikominderung und die klar formulierte Pflicht zur „Integration der Sicherheit in Konstruktion und Bau der Maschine“. Für die Umsetzung dieser Anforderungen in die Unternehmensprozesse wurden teilweise sündteure CE Umsetzungskonzepte entwickelt, die in der Praxis aber ebenso wenig Beachtung fanden, wie die EU-Richtlinien selbst. Die alternative und nahezu kostenlose Darstellung eines „CE Umsetzungskonzepts“ befindetsich auf einer einzigen Seite in der Europäischen Norm EN ISO 12100 in Bild 1:
In diesem Bild werden die Anforderungen zur Risikobeurteilung und Risikominderung aus den allgemeinen Grundsätzen des Anhang I der Maschinenrichtlinie in einem übersichtlichen Flussdiagramm dargestellt. Die große Herausforderung in den Unternehmen besteht darin, dass sich alle Konstrukteure und Planer an diesen Ablauf halten.
Dafür könnte zum Beispiel ein CE-Koordinator oder CE-Beauftragter sorgen. Dies führt aber häufig dazu, dass alle anderen Personen, die in die Produktentstehungsprozesse involviert sind, die Ansicht vertreten, sie hätten mit der CE-Thematik nichts zu tun. Dies wiederum stellt den CE-Koordinator / CE-Beauftragten vor teilweise unlösbare Aufgaben: Wie soll er es schaffen, für ALLE Gefährdungen an einer Maschine die geeigneten sicherheitstechnischen Lösungen zu entwickeln? Dazu fehlen ihm das Know-how, die Zeit und in der Regel auch der Überblick.
Für dieses Problem gibt es nur eine Lösung: Alle Planer, Konstrukteure und andere Personen, die im Produktdesign Entscheidungen treffen, kommen ihren gesetzlichen Verpflichtungen projektbegleitend nach.
Damit CE-Koordinatoren / CE-Beauftragte nicht ungewollt in eine falsche Rolle geraten, ist dringend zu empfehlen, Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten in einer Stellenbeschreibung möglichst klar und schriftlich festzuhalten. Unklarheiten gehen hier in der Regel nahezu immer zu Lasten des Unternehmens.
Aus Kostengründen wird in den Engineeringprozessen häufig auf die Durchführung von Risikobeurteilungen verzichtet. Es werden die „immer schon gewählten Lösungen“ realisiert. Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Lösungen oft nicht kausal in Zusammenhang mit der Gefährdung stehen und trotz hoher Kosten die Sicherheitsziele nicht erfüllen. Nicht selten werden völlig überzogene oder unpassende sicherheitstechnische Lösungen gewählt, die dann sogar dazu führen, dass die späteren Anwender Schutzeinrichtungen entfernen, weil mit der Maschine ansonsten nicht mehr bestimmungsgemäß gearbeitet werden kann. Es ist daher besonders wichtig, wie in Bild 1 von ISO 12100 dargestellt, immer zuerst die relevanten Gefährdungen zu identifizieren, dann das damit verbundene Risiko abzuschätzen und erst danach die geeignete Lösung zu ermitteln. Dabei unterstützen harmonisierte Europäische Normen in besonderer Weise. Es sollte daher sichergestellt werden, dass alle Projektbeteiligten immer Zugriff auf aktuelle Normen besitzen.
Zur Realisierung sicherheitstechnischer Lösungen können Sicherheitsbauteile wie z. B. Not-Halt Einrichtungen, Sicherheitslichtvorhänge usw. erforderlich werden. Allerdings kann auf diese Einrichtungen dann verzichtet werden, wenn es möglich ist, das Risiko durch inhärent sichere Konstruktion hinreichend zu vermindern. EN ISO 12100 informiert in Abschnitt 6.2 über diese Möglichkeiten. Die Kosten für inhärent sichere Lösungen können verschwindend gering sein, wenn diese während dem Konstruktionsprozess gewählt werden. Nach dem Bau der Maschine sind diese Lösungen oft überhaupt nicht mehr möglich oder nur mit sehr großem Aufwand. Hier besteht besonders hohes Einsparungspotenzial! Auch bei der Gestaltung der Benutzerhinweise entstehen teilweise unnötig hohe Kosten durch einen nicht optimal organisierten Workflow. Optimalerweise sind die erforderlichen Hinweise auf Restgefährdungen das Ergebnis der Risikobeurteilung. Wenn sich technische Redakteure mangels dieser Informationen nachträglich selbst auf die Suche nach Restgefährdungen begeben müssen, erzeugt dies nicht nur sehr hohe Kosten. Zusätzlich wird das Produkthaftungsrisiko erhöht, da nicht zu erwarten ist, dass alle Restgefährdungen auch tatsächlich gefunden werden.
Viele Unternehmen erstellen die Dokumentationen mit Word® oder Excel®. Der entscheidende Vorteil dabei ist, dass sich die Projektbeteiligten nicht mit der Funktionsweise einer neuen Softwareoberfläche auseinandersetzen müssen. Allerdings müssen entsprechende Vorlagen angefertigt und bei Normen- oder Richtlinienänderungen zeitnah aktualisiert werden. Dies geht oft nur solange gut, solange die Person, die dieses System ausreichend kennt und betreut, noch verfügbar ist. Andernfalls wird oft noch jahrelang mit veralteten Vorlagen gearbeitet, ohne dass die Anwender dies überhaupt merken. Der gravierendste Nachteil ergibt sich aber daraus, dass sich die Daten, die in Word oder Excel in jahrelanger mühsamer Arbeit zusammengetragen wurden, nicht mit einfachen Mitteln auswerten, überprüfen und aktualisieren lassen. Gerade hier bietet moderne Computertechnologie Mechanismen, um Arbeiten, für die hunderte Menschen manuell mehrere Monate oder Jahre benötigen würden, in wenigen Sekunden durchführen zu lassen. Dadurch können qualitätssichernde Maßnahmen in die Konstruktionsprozesse einfließen, ohne dass die Beteiligten dies überhaupt merken. So kann beispielsweise durch intelligente Verknüpfung digitalen Wissens aus verschiedenen Datenbanken ermittelt werden, in welcher Weise bestimmte Ereignisse, wie zum Beispiel die Zurückziehung einer angewandten Norm, Auswirkungen auf laufende Projekte haben und für welche Personen im Unternehmen dies relevant ist – eine entscheidende Information, bevor die Konformitätserklärung rechtsverbindlich unterschrieben wird! Hier setzt zum Beispiel die neue Generation der CE-Praxissoftware Safexpert völlig neue Maßstäbe. Die Gretchenfrage lautet aber, welche Funktionalitäten tatsächlich benötigt werden. Die Checkliste in Tabelle 1 unterstützt dabei, den Bedarf an ein Softwaresystem zu ermitteln. Es empfiehlt sich, bei der Bewertung mittel- und langfristige Projektzahlen und Projektlaufzeiten im Auge zu haben. Datenmengen, die heute noch leicht zu überblicken sind, können in wenigen Jahren manuell nur mehr schwer überschaubare Dimensionen annehmen!
Grundlegende Fragen zur CE-Kennzeichnung einmal anders präsentiert
Verfasst am: 15.11.2012
Ing. Helmut Frick Seit 1994 CE-Beratung im Maschinen- und Anlagenbau mit Schwerpunkt CE-Organisation und Normenmanagement. Geschäftsführer der IBF Holding GmbH sowie Leiter der Business-Unit "Digitale Normung".
E-Mail: helmut.frick@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com
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