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Die wichtigste Norm zur Risikobeurteilung, (EN) ISO 12100, befindet sich in Überarbeitung! Nachfolgend erfahren Sie die relevanten Facts, um am Ball zu bleiben.
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Was ist der aktuelle Stand?
Das Nachfolgeprojekt ISO/CD 12100 befindet sich derzeit in der sogenannten "Sondierungsphase". Der aktuelle Status „DIS ballot initiated: 12 weeks“ bedeutet, dass der internationale Normentwurf am 13.12.2024 bestätigt wurde und ab diesem Tag in den darauffolgenden 12 Wochen kommentiert werden kann.
Am 1.1.2025 wurden diese Normentwürfe der nationalen Normungsorganisationen (DIN für Deutschland bzw. Austrian Standards für Österreich) zur öffentlichen Stellungnahme veröffentlicht, diese ist bis 14.2.2025 möglich.
Wann kommt die neue Norm (EN) ISO 12100?
Im Normungsprozess der ISO werden mehrere Stufen (sog. ISO Stages) unterschieden. Derzeit befindet sich die neue Norm in Phase 3 (Komitee-Phase). Es wird also noch einige Zeit dauern, bis das Dokument die Phase 6 (Veröffentlichungsphase) erreicht.
Zum Vergleich: Bei der letzten Überarbeitung der Norm im Jahr 2008 dauerte es von der Komitee- bis zur Veröffentlichungsphase knapp 2 Jahre. Sollte die aktuelle Revision einem ähnlichen Zyklus folgen, können die Anwender in etwa Mitte 2026 mit einer neuen Ausgabe der Norm rechnen. Da die vorgenommenen Änderungen und Neuerungen im Normentwurf vom 1.1.2025 jedoch eher gering ausfallen (Siehe Abschnitt "Was ändert sich am Inhalt?"), dürfte eine Veröffentlichung bereits früher erfolgen.
Dieser Veröffentlichungsprozess gibt nur die internationale Fassung wieder. CEN, die europäische Normungsorganisation, hat ebenfalls ein neues Normungsprojekt mit der Bezeichnung prEN ISO 12100 rev gestartet. Es ist davon auszugehen, dass die Gremien von ISO und CEN wie bei der Normenausgabe 2010 eng zusammenarbeiten werden. Die Veröffentlichung auf europäischer und dann auf nationaler Ebene erfolgt in der Regel einige Monate nach Erscheinen der internationalen Ausgabe.
Im Juli 2024 erschien der Entwurf eines Normungsauftrags der EU-Kommission an CEN/CENELEC, welcher die Erarbeitung harmonisierter Normen für die neuen bzw. geänderten Anforderungen der Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 einfordert. In Anhang I des Dokuments werden an erster Steller "Normen und Vorgaben zu horizontalen Fragen der Risikominderung und Sicherheit von Maschinen und dazugehörigen Produkten" gefordert, womit vermutlich die EN ISO 12100 als einzige Typ-A-Norm gemeint ist. Der Stichtag zur spätesten Annahme dieser Norm durch CEN/CENELEC ist (wie für sämtliche andere Normen des Mandats) auf den 20.1.2026 festgelegt, genau ein Jahr vor Gültigkeitsbeginn der neuen MVO. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie im Fachbeitrag "Neue Maschinenverordnung: Status harmonisierter Normen".
Seminarhinweis
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Gibt es eine Übergangsfrist?
Bei der Frage nach einer möglichen Übergangsfrist muss zwischen den verschiedenen Herausgebern unterschieden werden:
Ab wann muss die neue Norm ISO 12100 angewendet werden?
Diese Frage ist für die Hersteller nicht einfach zu beantworten, da sie sich gerade in Europa in einem Spannungsfeld bewegen.
Einerseits gibt die Listung der Vorgängernorm EN ISO 12100:2010 im EU-Amtsblatt nach der Maschinenrichtlinie eine gewisse Rechtssicherheit, andererseits fordern gerade die EU-Richtlinien die Einhaltung des Standes der Technik. Hier könnte argumentiert werden, dass die neue Normenausgabe der (EN) ISO 12100 ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung aufgrund ihrer Aktualität diesen Stand besser abbildet als die Vorgängernorm.
Weitere Informationen – auch aus juristischer Sicht – zu diesem Thema finden Sie in unserem Fachbeitrag Normenaktualität vs. Konformitätsvermutung.
Was ändert sich am Inhalt?
Im Arbeitsprogramm der europäischen Normungsorganisationen CEN/CENELEC für 2024 wurde die Überarbeitung der Norm als eine der Hauptaufgaben des Technischen Komittees 114 (Sicherheit von Maschinen) angegeben. Hauptziel der Überarbeitung ist demnach die Überprüfung einiger Definitionen, die Anpassung des Inhalts an die Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 und die Einführung von Links zu den neuesten horizontalen Dokumenten des Komittees.1
Dieser Umfang der Überarbeitung spiegelt sich auch im Normentwurf zur öffentlichen Stellungnahme wider, welcher am 1.1.2025 als prEN ISO 12100:2024 veröffentlicht wurde. Nachfolgend haben wir einige der aus unserer Sicht wichtigsten Neuerungen und Änderungen aufgeführt, die innerhalb dieses Drafts erschienen sind. Eine Kommentierung der Inhalte ist noch bis 14.2.2025 u.a. auf der Website von Austrian Standards möglich!
Hinweise:
Anhänge ZC bzw. ZD zur Erläuterung der Beziehungen zur Maschinenrichtlinie bzw. Maschinenverordung
Der bisherige Anhang ZA (Zusammenhang zwischen dieser Europäischen Norm und den grundlegenden Anforderungen der EU-Richtlinie 2006/42/EG) wurde im Zuge der Veröffentlichung der neuen Maschinenverordnung in die Anhänge ZA (MRL) sowie ZB (MVO) überführt.
Darüberhinaus wurden mit Anhang ZC (MRL) und Anhang ZD (MVO) zusätzliche Informationen zur Erläuterung der Beziehungen der Norm und der Richtlinie bzw. Verordnung aufgenommen. Hier werden Grundsätze zur sicheren Konstruktion von Maschinen dargestellt, einschließlich der Auswahl geeigneter Sicherheitsnormen und deren Anwendung zur Risikominderung. Der Fokus liegt auf der Konformitätsvermutung durch harmonisierte Normen, insbesondere Typ-C-Normen, die spezifische Anforderungen abdecken. Zudem wird der Schutz vor Risiken durch bewegende Kraftübertragungselemente erläutert, etwa durch feststehende oder bewegliche Schutzeinrichtungen.
1 Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich wurde um einen zusätzlichen Absatz zu Cybersecurity/Datenverfälschung sowie künstlicher Intelligenz/Machine Learning ergänzt. So soll die zukünftige Norm Maßnahmen für die Auswirkungen dieser Bereiche auf die Maschinensicherheit festlegen. Außerdem legt die neue Norm fest, dass auch Hygieneaspekte für die Maschinensicherheit relevant sind.
Die bisherigen Anmerkungen im Anwendungsbereich wurden um zwei weitere Inhaltspunkte ergänzt: um einen Hinweis, dass der Risikobeurteilungsprozess neben Personenschäden auch für Schäden zu Haustieren, Eigentum oder Umwelt genutzt werden kann, desweiteren wird die Rolle des Konstrukteurs präzisiert, welcher Hersteller, Integrator, Lieferant oder Benutzer sein kann.
3 Begriffe
Folgende Begriffe wurden neu zu Abschnitt 3 hinzugefügt:
Gestrichen wurden dagegen die Begriffe „relevante Gefährdung“ (ehemals 3.7), „Gefahr bringender Ausfall“ (ehemals 3.32) und „vergleichende Emissionsdaten“ (ehemals 3.42). Der Begriff "Maßnahme zur Risikominderung" ersetzt den bisherigen Begriff "Schutzmaßnahme", zudem wurde die Definition der "Risikobewertung" überarbeitet.
In der Normenausgabe von 2010 wurde noch zwischen relevanter Gefährdung (Gefährdung, die als an der Maschine vorhanden oder mit ihrem Einsatz verbunden festgestellt wurde) sowie signifikanter Gefährdung (Gefährdung, die als relevant festgestellt wurde und die vom Konstrukteur spezielle Maßnahmen erfordert [...]) unterschieden, in Zukunft wird es gemäß des Entwurfs ausschließlich den Ausdruck „signifikante Gefährdung“ geben.
4 Strategie zur Risikobeurteilung und Risikominderung
In Abschnitt 4 wurde ein neues Bild 1 hinzugefügt, welches den iterativen Prozess zur Risikobeurteilung/Risikominderung als Gesamtprozess aufzeigt. Das bisherige Bild 1 der EN ISO 12100:2010 (Schematische Darstellung des dreistufigen iterativen Prozesses zur Risikominderung) ist in unveränderter Weise als Bild 2 aufgeführt.
5 Risikobeurteilung
In Abschnitt 5.4, Unterabschnitt b) wurde bei den möglichen Betriebszuständen der Maschine ein zusätzlicher Verweis auf unbeabsichtigtes sich selbst entwickelndes Verhalten von KI hinzugefügt. Details zu diesem Zusammenspiel können Anwender in der Technischen Regel CEN ISO/TR 22100-5 nachlesen. Dieses Dokument beschreibt, wie Gefährdungen, die mit Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) für maschinelles Lernen in Maschinen oder Maschinensystemen verbunden sind und innerhalb bestimmter Grenzen wirken sollen, im Risikobeurteilungsprozess berücksichtigt werden können.
6 Risikominderung
In diesem Abschnitt wurde das bisherige Bild 4 durch ein neues Bild 5 ersetzt und umfasst nun eine Anleitung für die Auswahl von Schutzeinrichtungen gegen Gefährdungen, ohne Fokus auf bewegliche Kraftübertragungselemente oder Teile sondern lediglich auf die Gefährdung als Ganzes.
Der neue Abschnitt 6.2.14 betrifft im Speziellen Hygieneaspekte von Maschinen und Ausrüstungen, die in Anwendungen zum Einsatz kommen, an die Anforderungen an die Hygiene und Reinigbarkeit bestehen (z. B. Nahrungsmittel und Arzneimittel).
Der letzte neu hinzugefügte Unterabschnitt 6.3.5.15 trägt den Titel "Cybersicherheit und Schutz vor Datenverfälschung". Gerade Aspekte der Cybersicherheit waren im Zuge der Veröffentlichung des Cyber Resilience Acts (EU) 2024/2847 erwartet worden, für ausführliche Details (oder in weiterer Folge spezielle Anforderungen) wird jedoch auf die künftige Typ-B-Norm prEN 50742 (Sicherheit von Maschinen – Schutz gegen Korrumpierung) verwiesen. In der prEN ISO 12100 werden lediglich einige grobe Maßnahmen zur Risikominderung für Cybersicherheit und Schutz vor Datenverfälschung definiert, z.B.:
Abschnitt 6.3.4 für technische Schutzmaßnahmen zur Verringerung von Emmissionen dahingehend gekürzt, so dass er nurmehr allgemeine Aspekte anstelle von Details (Lärm, Vibration, etc.) wiedergibt.
Zuletzt wurde Abschnitt 6.4 (Benutzerinformation) an die neue Möglichkeit angepasst, die Unterlagen künftig auch in elektronischer Form bereitzustellen. Ergänzt wird die Überarbeitung durch den Hinweis, dass die Begleitunterlagen (Betriebsanleitung) künftig die Anforderungen der Norm EN ISO 20607 erfüllen müssen. Diese Norm ist im Gegensatz zur EN IEC 82079-1 (Erstellung von Nutzungsinformationen (Gebrauchsanleitungen)) im EU-Amtsblatt nach Maschinenrichtlinie – künftig nach Maschinenverordnung – gelistet. Die EN ISO 20607 befindet sich derzeit ebenfalls in Überarbeitung und könnte zusammen mit der neuen EN ISO 12100 veröffentlicht werden. Außerdem neu hinzugefügt wurde bei den "Angaben zur Verwendung der Maschine" ein zusätzlicher Punkt zu "Bedeutung und Zweck von Signalen und Warneinrichtungen".
Anhang B – Beispiele für Gefährdungen, Gefährdungssituationen und Gefährdungsereignisse
Nahezu keine Veränderungen gibt es in Anhang B, in welchem die beispielhaften Gefährdungen aufgelistet sind. Neben kleineren redaktionellen Anpassungen wurde in Tabelle B.1 lediglich die Bescheibung der elektrischen Gefährdung "elektromagnetische Vorgänge" um den Satz "einschließlich solcher in Zusammenhang mit Dauermagneten" ergänzt, anstelle von "Mutation" wird ab sofort der Begriff "Veränderung des Erbguts" verwendet, "Feuchtigkeit" wird zu "Feuchte".
In Tabelle B.2 ist nun "elektrischer Schlag" anstelle von "Schlag" eine mögliche Folge von spannungsführenden Teilen, ein Beispiel für die überwiegend redaktionelle Überarbeitung der Norm. In Tabelle B.3 wird an einigen Stellen der Begriff "Überprüfen" künftig durch "Validierung" ersetzt. Abschließend wurde Tabelle B.4 (Gefährdungsereignisse) im Bereich Steuerungen modifiziert: aus "Maschinentätigkeit als Ergebnis der Wirkungslosigkeit [...] von Schutzeinrichtungen" wird der neue Ausdruck "Maschinenfunktionen als Ergebnis der Unwirksameit [...] von nichttrennenden Schutzeinrichtungen".
Anhang C - Anwendung des Systems der Typ-A-, Typ-B- und Typ-C-Normen bei der Konstruktion einer Maschine zum Erreichen eines vertretbaren Risikoniveaus durch hinreichende Risikominderung
Dieser neue Anhang C wurde aus den Inhalten der Technischen Regel ISO/TR 22100-1 übernommen. Diese bietet einen informativen Leitfaden zur Anwendung von Typ-A-, Typ-B- und Typ-C-Normen für die Maschinensicherheit, wodurch ein akzeptables Risikoniveau durch angemessene Risikominderung erreicht werden soll. Der Fokus liegt auf der Rolle von Typ-C-Normen, die spezifische Sicherheitsmaßnahmen und -anforderungen definieren, ergänzt durch Überprüfungsmethoden. Der Anhang erklärt, wie diese Normen interagieren, insbesondere wenn Typ-C-Normen von Typ-B-Normen abweichen und bietet praktische Schritte zur Umsetzung dieser Normen bei der Konstruktion.
Anhang D - Zusammenhang zwischen diesem Dokument und ISO 13849-1
Der neue Anhang D der EN ISO 12100 gibt die Inhalte der technischen Regel ISO/TR 22100-2 wieder und erklärt die Verbindung zur ISO 13849-1 und deren Integration in die Risikobeurteilung. Er beschreibt, wie sicherheitsbezogene Steuerungsteile in den Prozess eingebunden werden, um ein akzeptables Risikoniveau zu erreichen, und illustriert dies mit Grafiken und Beispielen. Diese Regel wurde bisher nicht von CEN/CENELEC als europäische Norm übernommen und findet sich auf diese Weise in der europäischen Normung wieder.
Wann wird Safexpert - die Software zur Risikobeurteilung - an die neuen Anforderungen angepasst?
Mit den ersten inhaltlichen Details im Rahmen des Normentwurfs werden wir zeitnah mit den Vorarbeiten beginnen, um unseren Kunden möglichst bald nach Erscheinen der endgültigen Normenausgabe die Möglichkeit zu geben, Risikobeurteilungen nach der neuen Norm durchzuführen.
Selbstverständlich können wir die Funktionen erst endgültig definieren, wenn die offiziellen Dokumente vorliegen. Die Umsetzung der neuen Anforderungen in Safexpert hat höchste Priorität.
Produkthinweis
Safexpert 9.1 – Die CE-Software unterstützt bereits die neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230
Seit der Version 9.1 unterstützt Sie Safexpert gezielt beim Wechsel auf die neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230. Für Maschinen mit langer Laufzeit, die ab 20.1.2027 in Verkehr gebracht werden, können Sie bereits ab sofort den CE-Leitfaden nach der neuen Maschinenverordnung nutzen!
Weitere Informationen
Fazit
Der Entwurf der prEN ISO 12100 stellt im Wesentlichen eine redaktionelle Überarbeitung ohne größere inhaltliche Überraschungen dar.
Gleichzeitig wurde der Entwurf an die Anforderungen der neuen Maschinenverordnung angepasst, insbesondere im Hinblick auf Cybersecurity und künstliche Intelligenz. Wer sich hier konkrete Hilfestellungen erhofft hatte, wie z.B. "Gefährdungsereignis durch Cyberangriff" als neuen Punkt in der Gefährdungsliste (Tabelle B.4), sucht vergeblich.
Fußnote:1 Siehe CEN/CENELEC Arbeitsprogramm 2024
Verfasst am: 13.01.2025 (Letzte Aktualisierung)
Daniel Zacek-Gebele, MSc Produktmanager bei IBF für Zusatzprodukte sowie Datenmanager für die Aktualisierung der Normendaten am Safexpert Live Server. Studium der Wirtschaftswissenschaften in Passau (BSc) und Stuttgart (MSc) im Schwerpunkt International Business and Economics.
E-Mail: daniel.zacek-gebele@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com
Christian Aumann, Dipl.-Ing. (FH) Produktmanager bei IBF Solutions und Fachreferent für CE-Kennzeichnung und Safexpert. 15 Jahre Erfahrung als ausgebildeter Sicherheitsingenieur in der mechanischen Konstruktion im Sondermaschinenbau und insbesondere in der Umsetzung der Maschinen- und ATEX-Richtlinie sowie der Erstellung von Risikobeurteilungen. Studium der Produktions- und Automatisierungstechnik an der OTH Regensburg.
E-Mail: christian.aumann@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com
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